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23. Mai in Berlin

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60 Jahre Grundgesetz – die Berliner Strasse

Das Bürgerfest der Bundesregierung erreiche ich vom Hauptbahnhof , früher der Lehrter Stadtbahnhof. Babylonisches Sprach- und Dialektgewirr, die Menge schiebt sich über den Steg in Richtung Tiergarten. Vorbei an der Schweizer Botschaft, der Reichstag ist etwas entfernt.  Angies Arbeitsstelle, hier auch als Waschmaschine bezeichnet, an der sich übrig gebliebene Horden des Herrentags in uniformen T-Shirts unter kritischen Augen der Wachleute  eigentümlichen Vergnügungen hingeben.

Das Bürgerfest

An einer Armee blauer DIXI-Klos entlang erreiche ich über eine Seitenstrasse  den 17. Juni, empfangen vom Programm der lokalen Rundfunkanstalt RBB tauche ich in den Besucherstrom ein. Die “Fanmeile” ist gut besucht aber nicht überfüllt und ich komme gut voran. Die Stimmung wirkt interessiert schauend, nur die Jugend scheint teilweise  etwas verloren betrogen – unter Feiern versteht sie wohl etwas anderes und “Boss Hoss” locken erst in ein paar Sttunden. Vorbei an Infozelten einiger Bundesministerien, des Bundesrates, ich nehme etwas Infomaterial zur Bildungspoitk mit – hinter mir läuft ein Fachgespräch über studentische Auslandsaufenthalte.

Das Bündnis für Demokratie und Toleranz hat eine Fussballbroschüre “11 Fragen nach 90 Minuten – Was tun gegen Rassismus und Diskreminierung im Fussball?” herausgebracht, ich nehme ein paar Exemplare für meine an Fussball interessierten Bekannten mit.

Die Amadeu Antonio Stiftung gibt Broschüren ab: “Living Equality – Interventionen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit” und “Lokale Geschichte sichtbar machen – Einblicke in ein Projekt zu Antisemitismus, Antiziganismus und Erinnerungskulturen in Niedersachsen und Sachsen Anhalt”, in diesem Rahmen sind auch Filme für Bildungseinrichtungen produziert worden.

An einem Kulturbus werden Postkarten von “Unser Aufbruch 1989-2009” abgegeben, die Wendezeit aus der Sicht der Bürgerbewegten in Fotografien aus dem Bundesarchiv gebannt. Ich packe einige Karten in meine Tasche.

bürgerfest bb tor

Musik

Am Russenzelt mit spärlich besuchtem folkloristischen Biergarten vorbei geht es zur Nordbühne am Brandenburger Tor, ich bin gerade noch Thomas Gottschalk und seinen Fans in Rollstühlen und mit Spazierstöcken entkommen. Andre Hermelins 20 minütige Swingdarbietung habe ich leider verpasst. Das Publikum tauscht sich langsam aus, gleich dirigiert Daniel Barenboim die Staatskapelle Berlin mit Chor. Es wird Beethovens Neunte gegeben – letztmalig von mir unter Herbert von Karajan genossen und es war furchtbar. Die Nordbühne ist mit einer digitalen, wehenden Deutschlandfahne als Hintergrund oder Prospekt ausgestattet, aber man muss nicht dauernd auf die Bühne schauen, denn nahe der Südbühne werden die Kamerabilder vom Orchester auf eine Grossleinwand projeziert, man erkennt so auch die Solisten und den Dirigenten viel besser. Der Sound des Orchesters verliert sich etwas an diesem weitläufigen Spielort, Musikbanausen tun ihr übriges, um den Klassikfan in tiefe Verzweifelung zu stürzen. Ich wechsle öfters den Standort und ab der zweiten Hälfte befinde ich mich unter Gleichgesinnten, die dem Ereignis ernsthaft lauschen möchten, immerhin wird hier und heute die Europahymne hochkarätig, draussen und kostenlos dargeboten – auch die Künstler verlangen für ihre Arbeit heute keine Gage.

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Der Vorleser

Noch vom Konzert-Finale beseelt werde ich von Udo Jürgens schnell verscheucht, ich entfliehe in die Akademie der Künste, mir kommt eine Besuchergruppe der Lesung von Thomas Brussig entgegen, ich bin auf dem Gegenweg zu dem 68er Autor Uwe Timm unterwegs. Uwe Timm ist heute am Pariser Platz der einzige Autor aus dem Westen, er liest aus seinem Buch Der “Freund und der Fremde” (2005) und berichtet von Benno Ohnesorg, den er Anfang der 60er Jahre im „Braunschweig Kollleg“ kennen lernte. Beide hatten nach ihren abgeschlossenen Lehrausbildungen das Ziel, ihr Abitur in zwei Jahren an dieser Einrichtung für Hochbegabte nachzuholen. Ich befinde mich überwiegend unter weiss- und grauhaarigem Publikum. Uwe Timm überlegt, seinem Benno Ohnesorg Buch “Freund und der Fremde” einen aktuellen Text beizufügen – auch ihn bewegt die MfS-Neuigkeit über den Todesschützen Karl-Heinz Kurras. An eine grundlegende Wendung der 68er-Bewegung bei schon damaliger Bekanntheit dieser Charade hält er für unwahrscheinlich, die 68er waren weit vielfältiger ausgerichtet als die DKP/SEW oder die anderen linksautoritären Politgruppen. Vielen ging es um ein anderes und besseres Leben als das ihrer Eltern. UPDATE: Eine rege Diskussion über liberales Gedenken zum 42. Todestag Benno Ohnesorgs läuft gerade beim A-Team , Verzweckung eines Toten versus Dekonstruktion einer linksradikalen Geschichtslüge und des Gründungsmythos des deutschen Linksterrorismus. Ich tendiere moralisch eher zur Position von Califax. Dirk Niebel von der FDP fordert von der Bundesregierung endlich ernsthafte Aufklärungsbemühungen der unterwanderten Republik:  FDP fordert Aufklärung von Stasi-Verstrickungen.

Ausklang

Ich ziehe dann nach Friedrichshain weiter, am Ostkreuz wird ein Abendessen mit netter aber ostalgischer Plauderei absolviert, danach wird zum Ausklang in Kreuzberg noch bei Bier und Musik über Alfred Döblins „Reise in Polen“ nachgedacht – das Buch sollte den Europäern  besser bekannt sein,seine Beschreibungen polnisch-jüdischen Lebens Anno 1924 lassen ermessen,was Wehrmacht und SS unwiederbringlich auslöschten. Helga aus’m Tellstübchen hat auch eine hübsche Buchausgabe des Döblinwerkes  zur Verfügung gestellt. Wir lauschen den neuesten Musikerzeugnissen des Tresenmannes von CD. Eine globalisierte Gesprächsrunde aus Schwaben, Rheinland, Bayern und Brasilien bewegt Neuigkeiten des Alltags, tauscht humoresque und kurzweilige Anekdoten aus und ich ziehe nach einer ganzen Weile über das Kottbusser Tor mit Zwischenstopp bei meinem Dönerdealer vorbei –  wir stossen bei einem Glas schwarzen Tee auf den heutigen 68. Geburtstag von Bob Dylan an. Am 24. Mai komme ich früh morgens nach Hause, der Gasthund bekommt noch eine Wurst. Ich bin wieder zu Hause, in Berlin-Tiergarten.

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Unbehagen in der Massenkultur

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knef-gaulullstein4Jedes Buch hat seine Zeit. Einige erleben sogar mehrmalige Erweckungen,  “Der geschenkte Gaul” von Hildegard Knef aus 1970 ist so ein Werk, es wurde in 2008 verfilmt. Nun gibt Heike Makatsch in einem neuen Spielfilm die Knef und ich weiss nicht, was ich davon halten soll. Natürlich ist es eine posthume Auszeichnung für die im Nachkriegsdeutschland immer auch umstrittene Knef, in einem neuen Film dem Publikum näher gebracht zu werden. Ihr Begräbnis 2002 in Berlin war nicht so grossartig wie das der Marlene zwei Jahre nach der Wiedervereinigung der beiden Frontstadtteile.

marlene-2006-07-24_friedhof_schoeneberg_iii_grab_dietrichMarlene hatte aus ihrer Ablehnug  gegen die Annäherungsversuche des NS-Kullturapparates nie einen Hehl gemacht, das haben ihr viele Deutsche vom Mitläufer bis zum strammen Volksgenossen auch zum Schluss noch übel genommen. Der Trauermarsch in 1992 (über Strecken auch als Dauerlauf einstufbar) bis zur Stubenrauchstrasse war eines meiner ergreifendsten Erlebnisse in den Neunzigern, die Grablegung der Diva erzeugte schier unendliche Referenzen in dieser Stadt. Es sollte nicht die letzte Begegnung bleiben, etwas später wühlte ich in ihren Pantinen, Schlüppern und Büchern in Spandau herum. Die SDK hatte ihren Nachlass erworben und zur Erschliessung in der Streitstrasse deponiert und dort habe ich mich ein wenig nützlich gemacht.

Die Knef war anders als Marlene: Als Jugendliche gefällig bei der UFA, sie provozierte die Nachkriegsgeneration auch mit freizügiger Weiblichkeit und später mit individuellen Lebensentwürfen und einer Karriere in den USA. Finanzielle Schwierigkeiten und ihre Krebserkrkankung wurden nicht von Allen mit der gebotenen Empathie – oder zumindest Gleichgültigkeit –  belegt. Seit den Siebzigern fehlen Parodien auf ihr Werk in kaum einer Travestieshow, sie wurde gerne als qualmender, alternder Vamp inszeniert.

hildegardknef

Ich schätze die Knef als Sängerin, mein Lieblingsstück ist ihre Interpretation “Lieber Leierkastenmann” (Vorlage).  Mit der Knef, Evelyn Künnecke,der “Callas der Subkultur” – die mich in den frühen Neunzigern während einer Theater Premierengala bei Tisch mit ihren bärbeissigen wehrmachtskritischen Ausführungen auf Hitlers Polenfeldzug zu Vicki Leandros’ Interpretation “Theo,wir fahr’n nach Lodz” auf das Beste von den Scheintoten erweckte – und der in den sechziger Jahren zugezogenen Helen Vita starben anfang des Millenniums die letzten “Diven” Berliner Provenienz.

Nach den ganzen letzten produzierten Nachkriegsfilmen ist eine fragwürdige Inszenierung der Knef wahrscheinlich. Ich möchte Heike Makatsch nicht zu nahe treten, ich schätze ihre Rollen und sie hat sich von einer Teenie-Moderatorin bei VIVA und BRAVO-TV dank Detlef Buck und Doris Dörrie zu einer guten Darstellerin entwickelt. Mit der Verfilmung “Hilde” des Knef-Buches “Der geschenkte Gaul” kann sie sich aber auch verheben – am schlimmsten wird es ja,wenn Wessies Berliner Dialekt versuchen.

Wer Walter Benjamin und T.W. Adorno aufmerksam liest, kann ein Unbehagen der beiden Autoren an der Massenkultur herausarbeiten. Es geht dabei nicht um ein mit schnöseligen Wertungen besetztes Gegensatzpaar von Massenkultur versus Elite- oder Hochkultur, sondern um die Frage der Technik und Wirkung massenkultureller Phänomene und Produkte. Adorno und Benjamin haben diese Fragen in ihren Schriften ausführlich niedergelegt.

Ich gehe mit gemischten Gefühlen in die Premiere. Es tut mir leid, aber die Knef als kopftuchtragende Trümmerfrau geht nach “Der Brand” für mich überhaupt nicht mehr.

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PS: Zur Grabstelle von Marlene Dietrich gibt es eine Fussnote, die in das Wiedervereinigungsszenario wie Arsch auf Eimer passt. Der Stein war kaum aufgerichtet,schon wurde er mit der Parole PELZSCHLAMPE beschmiert.

references:
Taylorbob

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March 6, 2009 at 2:25 pm

Zuppi,CockSparrer,Punk,Oi!

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Naaa,haben der Nicolaus und Knecht Ruprecht für anständig gefüllte Stiefel gesorgt???? Ich kann mich diesbezüglich jedenfalls nicht beklagen 😉    Meinen musikalischen Asselwurzeln werde ich demnächst auch wieder huldigen. Wenn ich im Februar 2009 in Berlin sein sollte, werde ich mir CockSparrer,Discharge und die Band mit dem Kanzlerkandidaten am Frontmikrofon nicht entgehen lassen. Mehr Infos? Klickt halt auf’s Bild!
Punk & Disorder 2009 Berlin

Berlin bietet aber auch schon zwischen den Jahren 2008 und 2009 punkige Freizeitbeschäftigung. Nicht ganz freiwillig – denn das Ruhrpottfestival “PunkImPott” (mySpace) gehörte zum runden Jubiläum ja eigentlich nach Oberhausen. Aber dort scheint das Kulturverständnis von Kim-Yong-Il oder Ayatollah Rüttgers den Ton anzugeben, wenn man diese Verbotsverfügung genauer studiert. So wird noch dieses Jahr Berlin-Weissensee eher unfreiwillig zum Gastgeber des zweitägigen Asselstelldicheins: Das 10. “PunkImPott” in “Die Halle” – hier habe ich letztmalig vor rund 12 Jahren verkehrt,es spielten dort Pantera,Downset u.v.a.m.: Dort habe ich den grössten “in door circle-pit” in den 90ern  erleben dürfen,der reichte von der Bühne bis zum Ausgang,herrlich. 48 Stunden Berlin mit Saufen und Krach im Winterchaos der Frontstadt für 38 lumpige € im Vorverkauf. Und ich freue mich ganz besonders old school auf ein Wiedersehen mit “Müllstation” aus Eisleben.

10 Jahre Punk im Pott

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December 6, 2008 at 1:23 pm

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kurz notiert

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  1. Da macht die EU einmal etwas für die Bürger und sie unterschätzt natürlich das grosse virtuelle  Bildungsinteresse am Geschichts- und Kulturkorpus des Kontinents:
    Zuviel Traffic, EUROPEANA Website is down.
  2. Kokskalle stellt das neue Album “Gute Sprüche” von L’Avantgarde vor, auch zum herunterladen.
  3. In gut zwei Stunden gibt es WordPress 2.7 auch für die WordPress.Com User. Und das alles noch vor Weihnachtsmann und Christkindl. Toll 😉

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December 5, 2008 at 12:26 am

kurz notiert

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  1. Ende Oktober 2008 ist der Guerilla-Journalist Studs Terkel gestorben,einen Nachruf gibt es hier + hier und hier etwas Presseecho. R.I.P.
  2. Wenn Homos ideologisch in Sippenhaft genommen werden,kommt nur Stuss dabei heraus.Adrian hat sich das Thema aus aktuellem Anlass von Migrantengewalt gegen Homos genauer vorgenommen.
  3. Die Versetzung des Israelkritkers Ludwig W. sorgt für späten Protest: Aufstand in der Reha-Klinik
  4. In Sachen Überwachungsstaat sind die britischen Sozialdemokraten (New Labour) ganz vorne dabei,mehr Infos gibt es bei Jan Filter.
  5. Die FREE KAREEM!-Kundgebung an der ägyptischen Botschaft Berlin für den immer noch inhaftierten Blogger ist bei FDOG mit Videomaterial unterlegt, Die weltweiten Unterstützungskampagnen sind bei FREEKAREEM.ORG gelistet.
  6. Wolf Biermann hat gestern endlich sein Diplom für das Fach Philosophie von der HU-Berlin erhalten,obendrauf gab es auch noch einen Dr.h.c..  Biermann war von 1955 bis 1957  im Fach Politische Ökonomie eingeschrieben und von 1959 bis 1963 in Philosophie und Mathematik,dann wurde er der SED zu unbequem,ihm blieben die Gitarre,seine Stimme und seine Freunde. (#)
  7. Egotronicparties sind aus unterschiedlichen Gründen interessant,man trifft sich eben dort und das Thema Marktwirtschaft vs. Raubkopieren (#) kam schon im Vorfeld  zu seinem Stellenwert.

Termine:

  • Der Gedenkmarsch zur Reichspogromnacht 1938 durch Berlin-Moabit am Sonntag, 09. November 2008 ab 14 Uhr am Mahnmal Levetzowstraße/Jagowstrasse – nach der Kundgebung geht es wieder zur Putlitzbrücke am S-Westhafen. Ein Nationalliberaler meinte zu mir, “dieser Schuldkult gehe ihm auf die Nerven”,ich habe ihn zur NPD zum sich weiter ausheulen geschickt. Folge:meiner Intoleranz ist wohl ein Gesprächspartner weniger in der Frontstadt. Kurzum:Umfeldverkleinerung,denn “small is beautful”. Broder mag den dt. Betroffenheitskult nicht mehr ertragen. Gideons Gedanken: Nie wieder 9.November 1938!!! Und überhaupt,die eigentlichen Juden des 21. Jahrhunderts sind ja wohl die Anthroposophen. Moabit Demo-UPDATE: Dämlicher Zivibulle von Antifa verkloppt – Berichterstattungsvarianten  I II .
  • Am Sonnabend  15.11.08 / ~21:00  gibt es wieder einen polnischen Abend im Club49 in der Ohlauer-31 mit Helga.

Lesestoff
Lily E. Kay: Das Buch des Lebens, suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1746,Frankfurt a.M. 2005
– Das Libertäre Manifest von Stefan Blankertz kann online via Freiheitsfabrik gelesen/herunter geladen werden.

Ideologische Grenzgänge

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Damien widmet sich in einer neuen Serie dem linken Dekonstruktivismus: “Freundschaft als Lebensweise”. Wie Schwule, die nicht schwul sein wollen, ihr Heil im Islam suchen (Teil 1). Wer sich für intellektuelle Schleichwege (aus dem Judith Butler Phantasialand) totalitär verwirrter Hochschulabsolventen interessiert,wird Erkenntnisgewinne aus der Lektüre mit nehmen.Möglicherweise ist der Prozess einer Konversion vom Linksradikalismus zum Islamismus virtuell und  in vivo zu begleiten. UPDATE: Teil 2

PS: Der praktische Bezug ist antischwule Gewalt.

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October 30, 2008 at 11:39 pm

Filmfestival in Berlin

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Hingehen,gucken,labern,machen: Blog 3. PornfilmfestivalBerlin 22.-26.10.2008 und hier die Festival-Homepage. Via dissi

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October 11, 2008 at 3:24 am

Personalikonen

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Personenkult ist mir fremd. Es gibt aber Personen, an deren Vita bestimmte zeitgeschichtliche Phänomene nachvollziehbarer werden. Und wenn Dokumente erhalten gebleiben sind,ergibt sich vielleicht auch ein aussagekräftiges personales Bild über eine künstlerische Ikonographie hinaus.

Richard Wagner möchte dem deutschen Reigen über die Avantgardistin Romy Schneider nicht folgen,leider hat er auch nur Magda Schneiders PR-Konzept von der Sissi als Alternative zur Projektion anzubieten: Sissi in Paris. Im Mai letzten Jahres war ihr 25. Todestag, dazu meine Jubiläumsgedanken. Ich gebe gerne meine Sensitivtät für das Tragische in der Welt zu.

Wolf Biermann öffnet sich nun auch endlich dem WWW, er hat seine Homepage ins Netz gestellt – oder sein Verlag hat ihn dazu genötigt / überredet. Der virtuelle  Streitraum wird so um einen wackeren Streitaxtträger erweitert. Zum 70. Jahrestag im November 2006 gab es meine Hommage für den wandelbaren Künstler “Wolf Biermann ist 70″ , gut ein Jahr später kam das unseelige Havemann-Buch von Robert Havemanns Sohn ( und Radaubruder für die DDR-Dissidentenszene ) Flori Have auf den Markt – und entschwand auch sogleich wieder vom eben solchen. Übrig blieben aber einige unbeantwortete Fragen an Wolf Biermann. An den Stellen des Schweigens entzündet sich ja oft so mancher Zweifel und Zwist – das späte Gift des MfS ?

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September 23, 2008 at 11:21 am

RAF-Film: Zuschauerreaktionen

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Die RAF lässt die Nation einfach nicht zur Ruhe kommen – Täterfilm, Opferdemütigung, im besten Fall naive Terroristenempathie oder doch eher Täterverherrlichung? Wie der Eichinger-Streifen so beim Zuschauer ankommt,wird hier in loser Folge dokumentiert:

  1. Buch- und Filmrezension: Der Baader-Meinhof-Komplex
  2. Der Baader-Meinhof-Komplex
  3. Anaximander: RAF-Film floppt
  4. Scrutograph: Wenn das Mass voll ist – Ignes von Hülsen/Ponto, die Witwe von Jürgen Ponto , gibt ihr Bundesverdienstkreuz zurück.
  5. Nichtidentisches: Der Baader-Meinhof-Komplex – Dokutainment und Halbbildung
  6. Power of Will war zur Matinee: Mit Frau Ensslin in der Wanne
  7. Gideon geht erst garnicht in den Film:Der Tropic Thunder Komplex (ein Kinoabend ohne die RAF)
  8. Michael Buback: Buback-Sohn sieht im RAF-Drama einen Täter-Film
  9. Hanns-Georg Rodek mit Moritz Bleibtreu, Johanna Wokalek und Regisseur Uli Edel im Interview.
  10. Moritz Bleibtreu über die RAF nach der Premiere in Berlin.

references:
Ab heute wird zurückgefilmt
RAF Debatte 2008: Carolin Emcke
Causa Buback 2007

OFFtopic:Musikterror aus dem Ruhrgebiet
23.10.2008 Die Kassierer Bahnhof Langendreer,Bochum

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September 20, 2008 at 4:06 pm

Kunstkritik

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Im Guggenheim in New York hing eine gerahmte weisse Leinwand und in einem anderen Raum stand eine Tonne Fett herum, das war der Olymp der Gegegenwartskunst in 1994. Der Kunstbetrieb hat etwas von der Realität enthobenes, gleichzeitig reüssiert aber auch Alltagskunst am Markt, Graffiti und Street-Art sind bekannte Beispiele. Anno 2008 regt sich Jörg Sundermeier in der taz über dumme Künstler mit Aussage auf, er will dem bizarren Treiben einen Endpunkt setzen. Er weiss, das geht nicht, aber ein blosses HALT! reicht heute nicht mehr aus, Jörg macht Vorschläge:

Es geht noch absurder

Und stoppen kann man diesen ganzen Mist nur, indem man ihn offensichtlich seinerseits übertrifft. Ich verkünde also hiermit: nachdem ich zunächst den gesamten Eifelturm mit Diamanten besetzen und verpacken lasse (Protest gegen den Konsum), werden auf mein Geheiß hin 2.000 Aktivisten von der Weidendammer Brücke aus in die Spree scheißen (Protest gegen die Umweltverschmutzung), anschließend werde ich 40 nackte Nonnen aus den Türmen des Kölner Doms in den Tod springen lassen (Protest gegen Christenverfolgung im Nahen Osten), daraufhin werde ich zeigen, wie sich 200 Tibeter gegenseitig köpfen (Protest gegen die Globalisierung), um schließlich und letztlich ganz Rom zu bombardieren (Protest gegen den Verlauf der Geschichte).  Vielleicht hätten die blöden Kunstspektakel endlich ein Ende, wenn jemand das alles machen würde. Denn etwas Dümmeres kann wohl niemandem mehr einfallen. Oder?

Ich habe ja Zweifel darüber, ob Dummheit kritisierbar sein kann, ob sich eine Auseinadersetzung wirklich lohnt, denn der Begriff an sich ist ja schon recht flexibel anwendbar. Aus dem Sartre-Verdikt der engagierten Literatur nach WKII  – das Analogon zur Kunst mit Aussage – scheint die Kunstwelt aber nicht viel schlauer geworden zu sein. Ein mit Diamanten besetzter Eiffelturm wäre etwas hübsches, ich wäre wohl einer der ersten Eiffelturm-Spechte.

(HATTIPP: Senor Daffy)

references:
b-arbeiter-Video: Das Subjekt im Kunstmarkt
Zur Überschätzung von Künstlern: Gideon Böss

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September 7, 2008 at 9:17 am

Stop Deportation !

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Seit dem ich Musik höre, befinden sich auch Rap und HipHop in meiner Plattensammlung, Jams und Battles gehörten zum festen monatlichen Ausgehmodus. Die Arbeit von Deniz Bax von der Berliner HipHop-Fraktion in Kreuzberg habe ich bis Anfang des Milleniums auch aktiv unterstützt – die Abende in der Naunynritze gehörten zu meinen monatlichen Musikhighlights incl. Breakdance und Electric Boogie.
( Aktuell höre ich übrigens NMZS, Koljah&Co ganz gerne )  Nun habe ich mir den “Ground-Zero”-Battle-Track von Afrohesse angehört, und schon in den ersten 60 Sekunden geht es  homo- und frauenfeindlich zur Sache, also abschalten und im günstigsten Fall sind die Texte vergessen, sie sind so scheisse wie sie zu 90% in diesem Genre eben  leider sind – Testosteron, Gangmacker   meets Dumpfbackentum.

Nun habe ich bei BadBlog gelesen, dass dieser Afrohesse, der seit rund 20 Jahren im hessischen Teil Deutschlands lebt, seit 4 jahren im Untergrund illegal leben muss und seit ein paar Tagen in Abschiebehaft in Damstadt zubringt, täglich bedroht von der Ausschaffung in ein Land ist, das ihm fremd sein muss. Er ist hier aufgewachsen und hat wahrscheinlich die gleiche Grütze im Kopp, wie grosse Teile seiner Generation.

Ich mache keinen Hehl daraus, dass mir die Ausschaffungspraxis schon seit je her gegen jeden politischen Strich geht, sie ist in der Regel zumindest unmenschlich. Unmenschlich ist auch die Eingrabung von Millionen Illegaler Menschen als “sans-papiers”, die den Bodensatz eines Lumpenproletariats bilden müssen, ohne Bürgerrechte und soziale Absicherung.

Ich kann mit den meisten Texten des Afrohesse nix anfangen – bis auf das  AFRO HESSE “SANS PAPIER” – Video, was ganz o.k. ist . Seine Ausschafffung finde ich total falsch und ich rufe auch zum Solikonzert im SO36 auf. Ich kenne von diesem Line-Up übrigens nur Tarek&Massimo. Anyway, stop deportation !

PS: Während ich mich mit diesem unsäglichen Ausschaffungsthema befasse, schlägt sich Tele in Berlin-Neukölln mit den NPD-Nazifrauen herum, was auch nicht besonders erhebend zu sein scheint.

PPS: Zur Abwechslung eine sehr schöne Geschichte aus New York in 1977 von Cem.

references:
stop deportation class !
Türkischer Rap in Deutschland

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September 5, 2008 at 8:07 pm

Kulturelle Verstrickungen

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An Jugendkulturen reiben sich nicht nur alte Säcke. Das Phänomen der Emo-Kids durchdringt kulturelle Schichten,die auf den ersten Blick nichts miteinander zu schaffen haben. Heterosexuelle Kraftprotze mit homophober Schlagseite verspüren einen inneren Drang, sich quasi militant von den Emos abgrenzen zu müssen – bis hin zur Phantasie und Praxis zu deren physischer Vernichtung.

Wonja von der Bandbreite besingt sie als den noch erträglichen Teil der abgefuckten Stadtkultur Duisburgs und neuerdings werden sogar Anhänger der antideutschen Ideologie innerhalb der Linken mit Emos verglichen. Der Emo als willkommener Prügelknabe scheint eine Gemeinsamkeit dieser Projektionen zu sein. Nun hat Damien noch ein weiteres Versatzstück des “Emo-Diskurses” aufgespürt: Feministisch angehauchte Theoretikerinnen fühlen sich von Emos nicht hinreichend beachtet,weil Emoboys eben eher nicht mit Girlies spielen möchten: Feministisches Spielzeug. Es bleibt also schwierig.

PS: Regisseure/Filme die ich immer noch mag: Roman Polanski Zeugs, der wird auch bei dissi gewürdigt – Polanski hatte übrigens vor 2 Tagen seinen 75. Jahrestag,aber da musste ich mich ja über den Jäger aufregen.

References:
Ich finde sie irgendwie niedlich 😉
Postkoloniale „Feministen“

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August 20, 2008 at 9:26 pm

DDR Rückblick: Punk Doku auf Zypern

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Etwas überrascht war ich dann doch, Ostpunk auf einem Dokumentarfestival in Limassol auf Zypern:

DOCUMENTARY FESTIVAL

Theatro Ena, Second Municipal Market, Limassol, 8.30pm, 10pm and 10.30pm. Screenings of Denmark’s Enemies of Happiness, Cyprus’ Shushu and Germany’s Too Much Future. Punk East!. Look at www.bravenewmedia.com and http://www.filmfestival.com.cy. Part of Limassol’s 3rd International Documentary Festival. Ends 15.08.2008.

Da habe ich ja auch modernere, kulturelle Anknüpfungspunkte auf der schönen Insel,wenn es langweilig mit den alten Herren während der Zyperngespräche wird.

Written by admin

August 15, 2008 at 10:53 pm