Archive for the ‘Film’ Category
Augenklappe und poröses Gedächtnis
Zur Einstimmung das photographische Thema der Augenklappe.
Geschichtswahrnehmung ist ein schwieriges Unterfangen – man ist meistens zu Generalisierungen verdammt. In Deutschland ist das schon am jüngeren Beispiel deutsch-deutscher Erinnerungskultur am lebendigen Objekt studierbar. Richtig kompliziert wird es beim 3. Reich, den Nazimitläufern und dem Thema Widerstand. Totalitäre Regime haben ja die Eigenart, zunächst ihre äusseren und dann ihre inneren Gegner zu liquidieren – jeglicher Widerstand wird abgemäht oder muss ins Exil flüchten. Die Konsensdemokratie in der Bundesrepublik hat sich beim Thema erinnerungswürdiger Widerstand für den Grafen entschieden und sogar Hollywood hat ihm ein kinemathographisches Erinnerungswerk mit Tom Cruise in der Hauptrolle gewidmet
Graf Stauffenberg will aber nicht so wirklich bei den Massen ankommen. Während Amerikaner über die Legende des Grafen erstaunt ins Nachdenken geraten, regiert im deutschen Patriotismus ein gähnendes Loch. Die staatlich subventionierten Rackets oder die vom Topf ausgeschlossene kritische Intelligenzia zerreibt sich im Loben oder Schelten des Grafen. Thomas Schmid bringt drei Hauptgründe für die lahme Gedächtnisimplementierung so auf den Punkt:
… Erstens galt der Widerstand nach 1945 lange noch als etwas Schäbiges, Unpatriotisches. Viele sahen in den Akteuren immer noch Verräter.
Zweitens ging später leise und untergründig, aber wirkungsvoll der Verdacht um, bei den Männern des 20. Juli handele es sich um spätbekehrte Nazis, die Hitlers Reich nicht durch eine Demokratie, sondern durch einen autoritären Ständestaat hätten ersetzen wollen. Auch darüber schwieg man lieber.
Drittens aber: Die Männer und Frauen des 20. Juli scheinen heute um Lichtjahre von uns entfernt zu sein. Die Gewissenskonflikte, die sie quälten, sind einer postpatriotischen Gesellschaft so fern wie die christliche Verwurzelung und das verzweifelte, aber unbeirrbare Verantwortungsethos der Verschwörer. Dass Monarchisten und Sozialisten, Demokraten und Obrigkeitsstaatler, Atheisten und halbe Gottesstaatler für ein Ziel zusammen gingen: Das wirkt auf uns heute seltsam und fast ungehörig…. Quelle: Weltonline
Der erste Punkt scheint für die Nachkriegszeit und bis zum Ende der Berliner Republik der Wiedervereinigungszeit treffend zu sein. Die Jahrzehnte währenden Streitereien um Namensgebungen diverser Bundeswehrkasernen geben ein Schlaglicht auf die Diskurspräferenzen damaliger politischer wie journalistischer Provenienz. Eines sei verraten: Widerständler aus dem 3. Reich waren nicht unter den Namenspaten zu finden, eher Schlachten und deren Protagonisten vom 1870 bis 1918. Streitereien um Wiederbewaffnung, die Westanbindung im NATO-Bündnis, den mündigen Bürger in Uniform bis hin zur Infragestellung der Wehrpflicht sind mir erinnerlich. Minderheitliche, pazifistische Träumereien einer neutralen BRD lieferten sich Propagandaschlachten mit militaristischen Pragmatikern und ewig gestrigen Wehrmachtssoldaten, die “nur ihre Pflicht” unter Hitlers Regime taten. Eine Zeit,in der die politischen Entscheider auch aus dem unendlich grossen Reservoir der Nazimitläufer rekrutiert wurden. Eine üble Zeit. Mit dem Ableben des Herrn Filbinger dürfte diese Gruppe endlich verendet sein oder zumindest im Pflegeheim ihr klägliches Restleben verbringen – eine gewisse Ausnahme dürfte Bundeskanzler a.D. Schmidt darstellen,der zwar über die Wehrmacht nur dummes und relativierendes Zeug verbreitet, der sich aber im hohen Alter immerhin im Verbund mit seiner Gattin für die Rechte rauchender Mitbürger verwendet.
Der zweite Punkt trifft schon eher meinen Nerv,wenn es um die Glorifizierung des Grafen geht. Auch der Anarchist Elser hat viel früher als der Graf versucht,Hitler mit einer Bombe ins Jenseits zu befördern. An ihn wird nur in kleinsten Kreisen gedacht. Bei der bundesrepublikanischen Gedächtnisveranstaltung geht es also nicht un die Würdigung der Beseitigungspraxis eines Tyrannen. Mit dem Grafen wird ein Mitmacher des NS-Regimes gewürdigt, der der NS-Ideologie nicht bis zum letzten Folgen konnte,ein Saulus der zum Paulus wurde. Hier wird an den kläglichen Rest einer dem Endsieg verpflichteten Opposition angeknüpft,die den Untergang nicht über Durchhalteparolen ignorieren oder märtyrisierend mit beschreiten wollte. Für mich eine fragwürdige Veranstaltung, die nur Sinn macht,wenn man sich als Rechtsnachfolger des 3. Reiches ohne eigene Abgrenzungsmassstäbe in die Zukunft begeben muss. Eine demokratisch phantasielose Anknüfung an ein Personal,das Hitler bis zum bombigen 20. Juli übersehen hatte. Um die Opfer des 3. Reiches wird sich mannigfaltig gekümmert. Der Historikerstreit Ende der 80er ebnete einen fruchtbaren Boden,um sich als Deutsche über die Aufrechnungspraxis von Opferzahlen von den Nazigreueltaten zu emanzipieren. Der Widerstand wird vom Staat aber sehr isoliert auf diese kleine Gruppe naserümpfender Mitmacher konzentriert, die nicht einmal erfolgreich waren. Diesen Job mussten dann die Alliierten erledigen. Dieses Eingeständnis scheint aber mit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten flöten gegangen zu sein.
Der dritte Punkt klingt wohlfeil,beschreibt er doch eine Tatsache,die sich aus den Punkten eins und zwei ableiten lässt. Im Vergessen oder nach Jahrzehnten erstaunen zu heucheln,hat die deutsche Öffentlichkeit Routine. Der im Artikel erwähnte Film Holocaust aus 1979 ist ein Paradebeispiel dieser nationalen Autosuggestion,die auch bei der Nachkriegsgeneration ihre Wirkung nicht verfehlte. 30 Jahre nach den Nürnberger Prozessen gaben sich Landser und die Wirtschaftswunderkinder das Staffelholz in die Hände. Die Shoah und der Vernichtungskrieg haben stattgefunden,aber keiner hat dabei mitgemacht. Wer möchte bitte an so eine Mischpoke heute noch gerne erinnert werden?
Am Montag den 20. Juli 2009 werden Rekruten am Reichstag vereidigt (die Orte werden immer geschichtsträchtiger) und im Bendlerblock wird dem Hitlerattentat des Grafen gedacht. Das Eiserne Kreuz für Tapferkeit im Kampf gegen die Taliban in Afghanistan wird wieder verliehen. Ein Zusammenhang dieser Gedächtnis- und Würdigungspolitik lässt sich nur schwer herstellen.
PS: Eine versöhnlichere Sicht auf den Grafen hatte letztes Jahr schon der Scrutograph in Stauffenberg revisited dargestellt. In diesem Jahr beleuchtet er Stauffenbergs Schwur, Varus, Arminius und Richard Herzinger.
PPS: Die Linke bekundet ihren Protest im GELÖBNIX-Bündnis gegen das Rekrutengelöbnis am Reichstag mit Kundgebungen am Potsdamer Platz und am Hauptbahnhof.
PPPS: Auf dem CDU-Politik-Blog wird den Eidbrechern auf den Führer gedacht, Gedenken an den 20. Juli 1944.
Karl Malden,RIP
Die gewohnten Schauspieler aus meiner Jugendzeit sterben weg, heute nun hat es Karl Malden (Mladen Sekulović,) im biblischen Alter von 97 Jahren erwischt. Ich schätzte ihn sehr für die Rolle des Detective Lt. Mike Stone in den Strassen von San Franzisko, gemeinsam mit Michael Douglas, der hoffentlich noch viele Jahre auf dem Paneten weilen wird.
Im “Wer ist dir lieber Blog” könnt ihr mit abstimmen …. KLICK
kurz notiert
- Photos: Swing Dance 2009 in Germany.
- Neue Moden bei den Reichsbürgern: Fürstentum Germania in der Prignitz. Film
- So blaue Augen: Lula fährt rassistisch mit der postkolonialen Retourkutsche durch die globale Politlandschaft. Fürstin Glorias “Schnacksel-Ausrutscher” wird auch immer relativer.
- Jüdisches Leben im Polen der Zwischenkriegszeit und unter der Naziherrschaft erforschte Wolf Glucksman. Eine Bestandsaufnahme bietet Alfred Döblin in seinem Buch Reise in Polen von 1925.
- Ketzer-Fazit zum 2. Irakkrieg 2003 ff. von Zettel.
Unbehagen in der Massenkultur
Jedes Buch hat seine Zeit. Einige erleben sogar mehrmalige Erweckungen, “Der geschenkte Gaul” von Hildegard Knef aus 1970 ist so ein Werk, es wurde in 2008 verfilmt. Nun gibt Heike Makatsch in einem neuen Spielfilm die Knef und ich weiss nicht, was ich davon halten soll. Natürlich ist es eine posthume Auszeichnung für die im Nachkriegsdeutschland immer auch umstrittene Knef, in einem neuen Film dem Publikum näher gebracht zu werden. Ihr Begräbnis 2002 in Berlin war nicht so grossartig wie das der Marlene zwei Jahre nach der Wiedervereinigung der beiden Frontstadtteile.
Marlene hatte aus ihrer Ablehnug gegen die Annäherungsversuche des NS-Kullturapparates nie einen Hehl gemacht, das haben ihr viele Deutsche vom Mitläufer bis zum strammen Volksgenossen auch zum Schluss noch übel genommen. Der Trauermarsch in 1992 (über Strecken auch als Dauerlauf einstufbar) bis zur Stubenrauchstrasse war eines meiner ergreifendsten Erlebnisse in den Neunzigern, die Grablegung der Diva erzeugte schier unendliche Referenzen in dieser Stadt. Es sollte nicht die letzte Begegnung bleiben, etwas später wühlte ich in ihren Pantinen, Schlüppern und Büchern in Spandau herum. Die SDK hatte ihren Nachlass erworben und zur Erschliessung in der Streitstrasse deponiert und dort habe ich mich ein wenig nützlich gemacht.
Die Knef war anders als Marlene: Als Jugendliche gefällig bei der UFA, sie provozierte die Nachkriegsgeneration auch mit freizügiger Weiblichkeit und später mit individuellen Lebensentwürfen und einer Karriere in den USA. Finanzielle Schwierigkeiten und ihre Krebserkrkankung wurden nicht von Allen mit der gebotenen Empathie – oder zumindest Gleichgültigkeit – belegt. Seit den Siebzigern fehlen Parodien auf ihr Werk in kaum einer Travestieshow, sie wurde gerne als qualmender, alternder Vamp inszeniert.
Ich schätze die Knef als Sängerin, mein Lieblingsstück ist ihre Interpretation “Lieber Leierkastenmann” (Vorlage). Mit der Knef, Evelyn Künnecke,der “Callas der Subkultur” – die mich in den frühen Neunzigern während einer Theater Premierengala bei Tisch mit ihren bärbeissigen wehrmachtskritischen Ausführungen auf Hitlers Polenfeldzug zu Vicki Leandros’ Interpretation “Theo,wir fahr’n nach Lodz” auf das Beste von den Scheintoten erweckte – und der in den sechziger Jahren zugezogenen Helen Vita starben anfang des Millenniums die letzten “Diven” Berliner Provenienz.
Nach den ganzen letzten produzierten Nachkriegsfilmen ist eine fragwürdige Inszenierung der Knef wahrscheinlich. Ich möchte Heike Makatsch nicht zu nahe treten, ich schätze ihre Rollen und sie hat sich von einer Teenie-Moderatorin bei VIVA und BRAVO-TV dank Detlef Buck und Doris Dörrie zu einer guten Darstellerin entwickelt. Mit der Verfilmung “Hilde” des Knef-Buches “Der geschenkte Gaul” kann sie sich aber auch verheben – am schlimmsten wird es ja,wenn Wessies Berliner Dialekt versuchen.
Wer Walter Benjamin und T.W. Adorno aufmerksam liest, kann ein Unbehagen der beiden Autoren an der Massenkultur herausarbeiten. Es geht dabei nicht um ein mit schnöseligen Wertungen besetztes Gegensatzpaar von Massenkultur versus Elite- oder Hochkultur, sondern um die Frage der Technik und Wirkung massenkultureller Phänomene und Produkte. Adorno und Benjamin haben diese Fragen in ihren Schriften ausführlich niedergelegt.
Ich gehe mit gemischten Gefühlen in die Premiere. Es tut mir leid, aber die Knef als kopftuchtragende Trümmerfrau geht nach “Der Brand” für mich überhaupt nicht mehr.
PS: Zur Grabstelle von Marlene Dietrich gibt es eine Fussnote, die in das Wiedervereinigungsszenario wie Arsch auf Eimer passt. Der Stein war kaum aufgerichtet,schon wurde er mit der Parole PELZSCHLAMPE beschmiert.
references:
Taylorbob
Wolfsrudel im ZDF
Nun ist der neueste Coup im Erinnerungsdiskurs auch wieder bei Kreti und Pleti angekommen. Im ZDF kommt heute nach dem Bergdoktor der erste Teil des Dreiteilers “Die Wölfe”. Eine Telenovela, historisch angesiedelt zwischen dem Ableben von Blondie und dem Mauerfall. Von der Trümmerjugend zum vereinigten Vaterland in 1990.
references:
Karin war vom 1. Teil schon begeistert
Holocaust-Gedenken in Deutschland und ein Walkürenritt durch’s Kino
Die BRD wird 60.
Gedenktage spiegeln der Öffentlichkeit wichtige Ereignisse, die der entwickelten Staatsräson auch nach aussen Repräsentanz verleihen. Der “Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus” im deutschen Bundestag – in 2009 ohne den Zentralrat der Juden in Deutschland – ist eine denkwürdige Veranstaltung (Text Lammert Rede). Der Rechtsnachfolger des 3. Reiches übernimmt seit Jahrzehnten staatliche Verantwortung für die Untaten des Naziregimes, dessen Generation zunehmend verstummt und bald vollständig auf den Friedhöfen verschwindet.
Vom Reichstag in’s flache Land
Im Bundestag findet sich keine Fraktion, die dem “1000 jährigen Reich” auch nur eine Träne nachweint, in den Ländern ist das bekanntlich nicht flächendeckend der Fall, in nicht wenigen Kommunen und einigen Landtagen haben die Nazinachfolger Fraktionsstatus. Der Bundestag ist bis auf die Linksfraktion mit Demokraten besetzt. Sozialisten vom Schlage der PDS sind zentralistisch-demokratisch organisiert, eine leninistische Camouflage für demokratische Organisierung, sie versuchen sich seit der Wende mit kaum spürbaren Erfolgen (abgesehen von Wahlergebnissen), in die Verhandlungsdemokratie einzutakten.
Die Abgeordneten erinnern sich
Die berührende Gedenkstunde im Bundestag zeigt auch heute noch die massive Scham und Schuld, welche die Abgeordneten beim Benennen der Nazigreuel zwischen 1933 und 1945 empfinden können. Der 27. Januar wird gemeinhin als “Holocaust-Gedenktag” benannt – an diesem Tag in 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee die wenigen Überlebenden des Vernichtungslagers Oświęcim/Auschwitz in Polen – hier wurden Juden aus ganz Europa während der Wehrmachtsfeldzüge geplant industriell getötet, zwischen 1940 und 1945 wurden dort über 1,1 Million Menschen ermordet.
Vom Richterstuhl zum Pragmatismus
Martin regt in seinem lesenwerten Essay “Die Zeit heilt keine Wunden” zu einem neuen Gedanken über den Umgang mit dem 3. Reich an: Die Frage “wer ist daran schuld?” sei falsch gestellt, vielmehr gehe es um verantwortlichen Handeln heute.
Schuld können nur Täter oder Mittäter übernehmen und dass in der Vergangenheit zeitnah zum WKII einiges an Aufklärung und Sühne von den verantwortlichen Rackets aus Justiz und Politik behindert oder gar unterlassen wurde, ist eine traurige Tatsache. Der Antikommunismus des heraufziehenden Kalten Krieges baute nicht wenigen ehemaligen Nazis ein molliges Nest schon im Schosse der Westalliierten, die Restwärme reichte für die meisten auch bis weit in die Bundesrepublik hinein. In den vergangenen Jahrzehnten blieb auch genug Zeit, den Begriff des verantwortlichen Nazis immer wieder neu zu modellieren. Manche nennen das Fortschritt.
Wer erinnert sich noch?
Mit der Unsichtbarkeit und dem Aussterben der Erlebnisgeneration – hier sind Täter, Mitläufer und Opfer gleichermassen gemeint – wird die ganze Veranstaltung immer mehr zu einer literarisch-historischen Charade: Bis der ganze Sachverhalt nachbearbeitet ist, hat man entweder eine Hochschulprofessur in Geschichte erreicht, ist Berufspolitiker in den einschlägigen Parteien geworden oder hinterm kärglich befeuerten Öfchen verbittert zurückgeblieben. Während dessen schreibt ein hoch bezahlter Kulturapparat weiter am Narrativ der nationalen Erinnerung. Die Karawane zieht weiter, mittlerweile ist man schon wieder bei König Otto I. angekommen . Nebenbei: So hat auch meine seelige Oma deutsche Geschichte gelernt, im Kaiserreich.
Antiamerikanische Projektionen
Eine Paradebeispiel kultureller und sozialpsychologischer Verschiebung ist am Beispiel der öffentlichen Debatte über den Walküre-Film mit Tom Cruise beobachtbar. Schon während der Dreharbeiten in Berlin wurden verräterische Fragen von der Journaille und ausgesuchten Politikern aufgeworfen: Darf 1. ein Ami, aus 2. Hollywood und 3. der auch noch prominenter Scientologe ist, den Widerstandskämpfer Graf Stauffenberg mimen?
Das Denkmal
Ich möchte jetzt nicht der Frage nachgehen, ob Stauffenberg als das richtige Symbol für den Widerstand im 3. Reich von Staatswegen ausgewählt wurde – er ist es einfach qua politischer Entscheidung, was aus guten Gründen kritisierbar ist. Die Kritik ändert aber nichts am abgeschlossenen Auswahlverfahren zur Ausschmückung bundesrepublikanischer Staatsräson, was das staatliche Selbstverständnis von Widerstand zwischen ’33-’45 anbetrifft.
Ein adeliger Offizier der Wehrmacht hatte sich ab einem bestimmten biografischen Punkt entschieden, dem GröFaZ den Gehorsam zu verweigern, ihm das Leben und die Macht zu entreissen und er war nicht alleine mit diesem Anliegen. Das Anliegen scheiterte, Stauffenberg und seine Komplizen starben rückblickend den militärischen Heldentod und die Alliierten konnten nur unter grössten Verlusten die Folgen der Naziideologie kriegerisch beenden.
Das biblische Thema „vom Saul zum Paul“ ist am Beispiel des Grafen national zum Erfolg gekommen. Ein hochrangiger Mitmacher aus Hitlers Wehrmacht als Heldenfigur, der leider erfolglose Totmacher des unbequemen Tyrannen als nationales Vorbild eines demokratischen Staates. Das alles sind sehr seltsame Projektionen nach jahrelangem Weltmeistertum in der Wiederaufarbeitung, das Ergebnis wirkt freundlich betrachtet etwas mager.
Walküre reitet unter neidvollen Blicken
Die argwöhnische Begleitung des Walküre-Filmprojekts offenbarte nichts anderes als Neid über die gut ausgestattete US-amerikanische, kinematographische Fremdbesetzung eines nationalen Symbols. Den nationalen Neid konnte auch die Verehrung des Hauptsdarstellers für den heldenhaften Grafen nicht heilen. Zum Neid gesellt sich die Scham an die Amis über den verlorenen Krieg: Ein Schauspieler der Siegernation erfrecht sich, das einzig übrig gebliebene Widerstandssymbol der BRD filmisch zu besetzen. Hätte nicht wenigstens ein deutscher Darsteller für die Rolle ausgewählt werden müssen? Oder anders gesagt: Uns reicht doch die Zeitmaschine des Guido Knoop mit seinen historischen Fraktalen im ZDF – wehe, wenn die Erinnerung von aussen kommt.
Wenn der ehemalige Feind die Gedenkstunden ursurpiert
Nun ist Tom Cruise nicht nur Ami und Hollywoodschauspieler, zwei Ausschlusskriterien für den nationalen Gedenkdiskurs, sondern auch ein hochrangiger Schientologe. Das ist in old-europe natürlich ganz und gar nicht political correct. So sehr es mir als Atheist gefällt, dass die Scientologen den Begriff der Kirche maximal verhohnepiepeln – das hat aber vornehmlich steuerliche Gründe, mein Amusement ist nur ein Abfallprodukt scientologischer Geldgier – sehe ich deren Wirken sehr skeptisch und ich habe kein Problem damit, sollte der Laden beim nächsten faux-pas dicht gemacht werden; aber mal sehen, was Hillary Clinton so bei ihrem ersten Besuch bei der Bundesregierung für die Scientologen alles an Forderungen im Köfferchen hat. Ihr Gatte Bill hat ja seinerzeit den Hubbardepigonen den Kirchenstatus in den USA auf das Beste zementiert. Ob Frau Aussenminister wohl dieses familiäre Erbe der “Religionsfreiheit” fortführen wird?
Ausblick
Ob die Miesepetereien über den Tom Cruise Film dessen Erfolg hier schmälern werden, weiss ich nicht. Ich hoffe das nicht, denn es kommt wenigstens ein wenig Kenntnis über die Geschichten aus dem Nahbereich des GröFaZ in grösseren Kreisen dieser Kulturnation der Dichter und Denker an. Daran kann dann ja der kritische Weltgeist anknüpfen und für Vertiefung sorgen, wenn es beliebt. Bei der nächsten Gelöbnix-Demo am berliner Bendlerblock könnten aber auch mehr Leute verstehen, warum man dort dem Grafen nicht umstandslos zujubeln möchte. Aber die Freunde der Widerstandsymbolik müssen sich keine Sorgen machen, das Heldenepos – an dem auch Tom Cruise sehr gelegen ist – wird sicherlich mehrheitlich in den Köpfen haften bleiben.
Den Graf von Stauffenberg und endlose Leichenberge toter KZ-Häftlinge in Auschwitz. Diese Bilder als Erinnerungskultur zusammen zu denken, fällt mir auch nicht leicht. Ich für meinen Teil habe eine eigene “Heldin” aus der Zeit des 3. Reiches, sie hiess Hannah Arendt – sie hat viele jüdische Kinder aus dem Europa der Nazis nach Palästina gebracht und so viele Leben gerettet. Zur Geisteshaltung im Nachkriegsdeutschland schrieb sie die zeitlose Einschätzung:
„Die Gleichgültigkeit, mit der sich die Deutschen durch die Trümmer bewegen, findet ihre genaue Entsprechung darin, dass niemand um die Toten trauert.“ Hingegen kursierten zahlreiche Geschichten über die Leiden der Deutschen, die gegen die Leiden der anderen aufgerechnet würden, wobei die „Leidensbilanz“ in Deutschland stillschweigend als ausgeglichen gelte. Die Flucht vor der Verantwortung und die Zuschreibung von Schuld auf die Besatzungsmächte seien weit verbreitet. „Der Durchschnittsdeutsche sucht die Ursachen des letzten Krieges nicht in den Taten des Naziregimes, sondern in den Ereignissen, die zur Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies geführt haben.“
Was ist daraus nach all den Jahren geworden? Ein Land mit Leuten, die sich nur mit sich selbst beschäftigen, für die es in der Frage des 3. Reiches kein Aussen und keine konsequente Empathie mit den Opfern – und schon garnicht mit deren Enkeln in Israel – gibt. Auch das ist freundlich betrachtet ein mageres Ergebnis der Aufarbeitungsweltmeister.
references:
Alle Obrigkeit will Gewissenlosigkeit
Macht doch Euren Holocust alleine!
Tom Cruise, Stauffenberg und Widerstandsgeist
Filmkritiken von Mark, Jan und Gideon
Zum fragwürdigen Begriff “Operation Walküre”
Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit , Berlin
kurz notiert
- Warum Rasse keine gesellschaftliche Konstruktion ist,erklärt Walter Benn Michaels, der gegenwärtig als Literaturwissenschaftler an der University of Illinois/Chicago tätig ist, in der aktuellen Inselzeitung – deren Name für linksdeutsche Bauchpolitiker alleine schon den Inbegriff des Reiches des Bösen darstellt.
- Zusammenfassung: Tagung Bildungsfreiheit Oltober 2008 in Berlin
- Kleiner Geschichtsunterricht für Kapitalismuskritiker von Hannes Stein
- Leser-Poll: Der witzigste Film seit Menschengedenken kann bei Gideon gewählt werden.
- Internetsucht in China: Internet addiction made an official disorder in China
- Eine wirklich wirkliche Rolex: Philipp Blom über Richard Rorty
- Historikerstreit auf Zypern,Erzbischof haut auf die Kacke
- wordpress october wrap-up
Filmfestival in Berlin
Hingehen,gucken,labern,machen: Blog 3. PornfilmfestivalBerlin 22.-26.10.2008 und hier die Festival-Homepage. Via dissi
RAF-Film: Zuschauerreaktionen
Die RAF lässt die Nation einfach nicht zur Ruhe kommen – Täterfilm, Opferdemütigung, im besten Fall naive Terroristenempathie oder doch eher Täterverherrlichung? Wie der Eichinger-Streifen so beim Zuschauer ankommt,wird hier in loser Folge dokumentiert:
- Buch- und Filmrezension: Der Baader-Meinhof-Komplex
- Der Baader-Meinhof-Komplex
- Anaximander: RAF-Film floppt
- Scrutograph: Wenn das Mass voll ist – Ignes von Hülsen/Ponto, die Witwe von Jürgen Ponto , gibt ihr Bundesverdienstkreuz zurück.
- Nichtidentisches: Der Baader-Meinhof-Komplex – Dokutainment und Halbbildung
- Power of Will war zur Matinee: Mit Frau Ensslin in der Wanne
- Gideon geht erst garnicht in den Film:Der Tropic Thunder Komplex (ein Kinoabend ohne die RAF)
- Michael Buback: Buback-Sohn sieht im RAF-Drama einen Täter-Film
- Interview. mit Moritz Bleibtreu, Johanna Wokalek und Regisseur Uli Edel im
- Moritz Bleibtreu über die RAF nach der Premiere in Berlin.
references:
Ab heute wird zurückgefilmt
RAF Debatte 2008: Carolin Emcke
Causa Buback 2007
OFFtopic:Musikterror aus dem Ruhrgebiet
23.10.2008 Die Kassierer Bahnhof Langendreer,Bochum
RAF Debatte 2008
Sie kommt zu keinem Ende,die unsägliche Debatte um die Mordbrenner von der RAF. Nachdem das bizarre 30 jährige Jubiläum zum “heissen Herbst” in 2007 unter dem Stern von Christian Klars (abgelehntem) Begnadigungsgesuch an Bundespräsident Köhler stand – Michael Buback weiss übrigens immer noch nicht,wer seinen Vater umgebracht hat – wird nun der Mordfall am Vorstandssprecher der Deutschen Bank Alfred Herrhausen aufgerollt.
Carolin Emcke, promovierte Philosophin, Kriegsberichterstatterin u.A. für den SPIEGEL und ab Herbst 2008 Studienleiterin an der Hamburger Journalistenschule “Hamburg Media School“, hat in ihrem aktuellen Buch “Stumme Gewalt:Nachdenken über die RAF” einen neuen Focus ausgemacht: Der Umgang von Bundesstaatsanwaltschaft und Politik mit den gefassten Terroristen wird seit Jahrzehnten von einem Mantel des Schweigens begleitet – die Deals zwischen Staatsanwaltschaft, Verteidigern und den TäterInnen behindern die öffentliche Fallaufklärung und lassen immer wieder die Hinterbliebenen des Terrors im Regen stehen. Diesen Mangel versucht Frau Emcke mit ihrem Buch und den projektierten Dialogen im “Raum der Aufklärung” zu beheben.
Emcke scheint den neuen Tabubruch “mit Terroristen diskutiert man nicht in der breiten Öffentlichkeit” positiv aufzugreifen. Die äusserst anstrengende Begegnung von Michael Buback mit Karl Heinz Dellwo Peter-Jürgen Boock letztes Jahr im Fernsehen erscheint als eine Art Initialzündung zur Idee des “Raums der Aufklärung”,in dem dialogisch die verantwortlichen Figuren des politischen Terrors mit ihren Verfolgern und den Opferangehörigen an einem Tisch sitzen und reden sollen. An der zeitgeschichtlichen Erscheinung des Terrors soll nach Carolin Emcke in der BRD Streitkultur geübt werden.
Aktive politische Grundsteine zu diesem Stelldichein hat die Theologin und GRÜNE Politikerin Antje Vollmer mit ihren Amnestiekampagnen für die RAF’ler seit den frühen 80igern gelegt. Als Bedingung hat Frau Vollmer eine Abkehr vom Terrorismus von den Terroristen eingefordert,einige haben dieses Angebot auch angenommen und wurden vor Verbüssung ihrer Haftstrafen auf freien Fuss gesetzt. Dieser Teil der nationalen Aufarbeitung des Terrors kann als weitestgehend abgeschlossen betrachtet werden.
Worum es heute und in Zukunft gehen soll,ist die wahrheitsgemässe Aufarbeitung und Aufklärung der Morde,die im Dickicht fragwürfiger Deals – weil die Ermittlungsbehörden schlampig gearbeitet haben oder die Rechtslage zu Gunsten der Täter auszulegen war – zur Nebensache herunter gebrochen wurde.
Carolin Emcke kommt nicht als geltungssüchtige Publizistin mit ihrem Anliegen an die Öffentlichkeit,sie war Alfred Herrhausens Patentochter. Sie erfuhr am Morgen des 30. November 1989 in London von dem Mord an ihrem Patenonkel,das aktuelle Buch begann sie an diesem Tattag in Bad-Homburg zu schreiben. Und nun wird sie bald junge Journalisten in Hamburg ausbilden. Eine publizistische Karriere,die nicht gerade zu Pessimismus Anlass geben sollte. Denn die Frage,wie weit der demokratische Rechtsstaat in der Terroristenfrage verbogen wurde,ist noch zu beantworten und das Schweigen dazu ist in der Tat keine befriedigende Lösung. Aufklärung ist leider nicht schmerzfrei zu erlangen.
references:
zdf-aspekte vom 23.05.2008
Black Box BRD, Film von Andres Veiel
Afrika und Filmfestivals
Afrika wird selten hilfreich von Popstars thematisiert,George Clooney hat sich in den letzten Jahren um die unhaltbare Situation in Darfur gekümmert und von Sir Bob Geldoffs globalen Afrikafestivals kann man halten,was man will.Auch Madonna hat mit ihrem neuen Film Afrika wieder in den Focus der Öffentlichkeit gebracht.Es ist ja nicht so,dass dieser Kontinent keine Anlässe zur Befassung böte. Der Völkermord in Darfur,der sozialistische Populist Mugabe in Harare und kürzlich die Bootsentführungen an der Küste Somalias bieten immer wieder Einsprengsel in der aktuellen Tagesberichterstattung. Zwei Filmfestivals gaben dem Thema Afrika einen Raum: Das Sahara Filmfestival in Dejla und das TRIBECA-Filmfestival in New York. Madonna stellt ihre Malawi-Doku “I am because we are” dem internationalen Publikum vor und Javier Bardem schlägt auf dem diesjährigen Sahara Filmfestival ebenfalls ein Brücke zum angeblich vergessenen Kontinent. Das Saharafestival 2008 [V Festival Internacional de Cine del Sahara] ist in drei Sektionen untergliedert:
- FISAHARA (Sahara International Film Festival)
- Creation of a network of video shops, one in each of the camps
- Workshops and audiovisual training courses
Iran und die Berlinale 2008
Der Silberne Bär in der Kategorie bester Darsteller ging 2008 an Reza Najie für seine Darstellung des Vaters in dem Armuts-Familiendrama am Rande Teherans “Avaze Gonjeshk-ha” (The Song Of Sparrows) von Majid Majidi (Foto).

Die FilmhandlungKarim arbeitet auf einer Straußenfarm. Er hat ein kleines Haus am Stadtrand und kommt mit seinem Verdienst gut aus. Doch dann läuft ein Strauß davon und Karim, der schuld daran sein soll, wird entlassen. Aus Sorge um sein finanzielles Fortkommen macht er sich auf die Suche nach dem Vogel, kann ihn jedoch nirgends finden. Als er eines Tages in die Stadt fährt, um dort das Hörgerät seiner Tochter reparieren zu lassen, nimmt er auf dem Rücksitz seines Motorrads einen Mann mit und lässt sich dafür von ihm bezahlen. In Anbetracht des guten Verdienstes setzt er diese Transporte nun regelmäßig fort. Täglich fährt er in die Stadt und bringt bei der Rückkehr allerlei Trödel mit – alte Möbel, Autoersatzteile und Ähnliches.
Durch seinen Kontakt mit den Stadtbewohnern und den dortigen Verhältnissen verändert sich Karims Persönlichkeit. Stück um Stück verwandelt sich sein hübscher, kleiner Innenhof in ein hässliches, ungemütliches Warenlager. Früher war Karim freundlich und großzügig, jetzt wird aus ihm ein habgieriger Mann, der sich bloß noch für den Müll interessiert, den er zusammenträgt, und kaum noch für seine Familie. Für den Kummer seiner Frau hat er kein Auge mehr, als er aber sieht, wie sie einem armen Nachbarn eine alte Tür schenkt, holt er sich diese ohne Erbarmen zurück und packt sie wieder zu dem alten Krempel. Reichtum ist das Einzige, was ihn noch interessiert.
Doch dann fällt er eines Nachts, als er seine Gebrauchtwaren sortiert, von einem Müllstapel herunter und bricht sich den Fuß. Aufs Krankenlager geworfen, muss er mit ansehen, wie seine Frau und seine Kinder für ihren Lebensunterhalt arbeiten und in dieser schweren Zeit bei den Nachbarn Unterstützung finden. Eine Veränderung vollzieht sich im Haus – und ganz allmählich auch in Karim. Quelle: Berlinale 2008
Der Filmwissenschaftler Tobias Ebbrecht hat im Januar auf der Berliner “Konferenz gegen Appeasement mit dem Iran” auf dem Paneel “Europäische Sehnsüchte und iranischer Kulturexport” folgende Einwände vorgetragen:
Wenn von iranischer Kultur die Rede ist, überschlagen sich die positiven Reaktionen westlicher Kulturkritiker und Feuilletonisten. Sie zeichnen das Bild von einer pluralen und weltoffenen Gesellschaft im Iran. Gerade Filme, die westliche Wunschprojektionen vom Iran aufgreifen, sind hierzulande erfolgreich. Weibliche Protagonistinnen, Einsamkeit, Selbstmord, Armut werden dabei als sichere Insignien von kritischer Dissidenz rezipiert, drücken in Wahrheit jedoch den hohen Grad an Übereinstimmung der Filmemacher und des europäischen Publikums mit den sozialrevolutionären Elementen des gegenwärtigen Iran aus. Sa, 13:30 Uhr Podium II: Der Iran und Europa / der Westen.
Der Austausch der hochkulturell Schaffenden in der Bundesrepublik mit dem Iran ist nicht auf das Filmsujet beschränkt,auch die Bühne trägt ihr Scherflein zum unkritischen Dialog mit der iranischen Mullah-Kulturindustrie bei und Claus Peymann vom Berliner Ensemble ist ihr Botschafter – in diesem Radiointerview begründet er seine Haltung. Tobias Ebbrecht kommentiert diese Form der kulturellen Zusammenarbeit in seinem Text “Das BE, die Berlinale und der Iran – Anmerkungen zum deutsch-iranischen Kulturaustausch” wie folgt:
Einige, wie Claus Peymann und sein Berliner Ensemble, fahren direkt in den Iran, um sich von den Anhängern der islamischen Revolution beklatschen zu lassen. Andere zeigen ihre Verbundenheit mit der islamischen Republik, indem sie den Iran nach Berlin einladen und damit dem Terrorregime in Teheran Reputation verschaffen. Dazu zählen Dieter Kosslick und die Berlinale, die dieser Tage wieder in Berlin stattfindet. Persönlich hat sich deren Chef darum bemüht, dass der neue Film des iranischen Regisseurs Majid Majidi „Song of Sparrows“ im Wettbewerb gezeigt wird. Darüber freute sich auch die iranische Nachrichtenagentur IRNA, die Kosslick mit den Worten zitiert, die Berlinale habe in den letzten Jahren „sehr gute Beziehungen“ zur iranischen Filmkultur aufgebaut.
Das iranische Zensur- und Fördersystem sorgt dafür, dass es einen dissidenten oder gar oppositionellen Film im Iran gar nicht geben kann. Subversivität oder das was man hierzulande dafür hält ist vielmehr ein feststehendes Stilmerkmal der iranischen Filme, die vor allem für den Export auf internationalen Festivals hergestellt werden.
Was subversiv scheint entpuppt sich hingegen schnell als ideologische Übereinstimmung von Regime, Filmemachern und Festivalbesuchern im Westen. Im Ressentiment gegen die Zumutungen der Moderne ist man sich nämlich einig. Statt sie auszuhalten als das Bessere gegenüber der Barbarei, das die Überwindung des Leids erst möglich macht, gibt man sich der regressiven Sehnsucht hin, die Pseudorealismus und Großstadtkritik in den iranischen Exportschlagern befriedigen.
Ein solches Thema hat auch „Song of Sparrows“ nach Kosslick das „sympathische Porträt eines Mannes, der das Land verlässt, in die Stadt geht und am Ende wieder zurückkehrt.“ Der Regisseur ist da eindeutiger: „Im Tumult der modernen Welt fühlen wir immer größere Einsamkeit. Entwicklung, Kommunikationstechnologie und die Dominanz von Macht und Wohlstand haben nicht zu unserer Erlösung geführt. […] Das Konzept der Familie als Basis der Gesellschaft ist zum Opfer der Moderne geworden.“ Das steht der sozialrevolutionären Propaganda Ahmadinedschads nicht unbedingt entgegen.Für Kosslick und die Berlinaleleitung ist das aber höchstens „Propaganda um drei Ecken“. Darauf kann der erfolgreiche Kulturaustausch wohl keine Rücksicht nehmen. Dass dieser die iranische Repression und den Antisemitismus des Regimes letztlich stützt, darauf haben vor zwei Jahren die Regisseure und Autoren Daryush Shokof, Arman Nadjm, Kia Kiarostami und Javad Asadian in einem offenen Brief an Kosslick aufmerksam gemacht, der – das zeigen die offensichtlich noch immer ungetrübten Beziehungen zwischen der Berlinale und Teheran – keine Resonanz bei der Festivalleitung fand. Da die Kritik in diesem Brief noch heute zutrifft, möchte ich eine Passage daraus vorlesen:
„Mit der Präsentation dieser Filme unterstützen Sie unfreiwillig ein faschistisches Regime das nach fast drei Jahrzehnten Terror und schweren Menschenrechtsverletzungen im Lande, mit atomaren Drohungen und antisemitischer wie antiisraelischer Haltung die Welt zu bedrohen versucht. Wie Sie wahrscheinlich erfahren haben, wird parallel zur 56. Berlinale eine internationale Konferenz in Teheran vorbereitet, die „Holocaust, Mythos oder Wahrheit“? heißt. Das islamische Regime im Iran ist das einzige Regime auf der Welt, das neben den Nazis, den Holocaust leugnet. Wir schlagen Ihnen vor mit tieferem Blick auf die heutige Situation im Iran zu schauen. Und wenn Sie für die Erhaltung der Menschenrechte und Freiheit stehen und auch eine Verantwortung als intellektueller Demokrat für die Ermordung der 6 Millionen Juden tragen, bitten wir Sie jegliche Präsentation der Kultur der Islamischen Republik Irans auf der internationalen Bühne zu verhindern.“
Genauso wie der „intellektuelle Demokrat“ Peymann hat auch Kosslick diese Kritik von aus dem Iran vertriebenen Künstlern abgewehrt. Darin zeigt sich deutlich mit wem diese Kulturarbeiter einen „Dialog“ führen wollen – und das ganz und gar freiwillig. (Text als PDF)
Die Begeisterung für die Kulturprodukte des Mullahregimes auf der Berlinale 2008 ist keine wirkliche Überraschung,noch vor kurzem wurden die Selbstmordattentate der Palästinenser gegen Israelis durch den Film “Paradise Now” mit Elogen und Preis bedacht,da ist die geistige Nähe zum Mullahregime wirklich kein Wunder sondern eine folgerichtige Weiterentwicklung im weltkulturellen Soli-Repertoire. Old-Europe festigt sich,ganz herzlich, auch im Wohnzimmer von Herrn Kosslick. Israel ist für diese Leute schon längst von der Landkarte wegradiert,sie fügen sich bestens in Ahmadinedschads Mehdi-Traum von der antimodernen, judenfreien Weltgesellschaft ein.
Eberhard von Elterleins Filmbesprechung von The “Song Of Sparrows” in der WELT fällt inhaltlich geradezu kurz angebunden aus,wenn er seine Rezension mit den Worten ” So verliert ein schwungvoller Film zunehmend an Fahrt. Er wird in seiner Entwicklung voraussehbar und in seinem Loblied aufs Landleben, in dem die Errungenschaften der Stadt lediglich als Plunder enden und die Spatzen, nun ja, ihr Lied fröhlich in der Hand pfeifen, plakativ. Und das ist leider gar nicht mehr komisch.” beschliesst. Er fühlte sich von der Mullah-Kulturindustrie immerhin schlecht unterhalten.
references:
Europäische Sehnsüchte von Tobias Ebbrecht im extrablatt-online #3 aus Bremen
Charlie Chaplin
Der Todestag von Charle Chaplin jährte sich am 25.12.2007 zum dreissigsten Mal. Seine Filme waren für mich das Urerlebnis im Genre Stummfilm.
Filme wie The Kid, der Tramp oder Lichter der Grossstadt berühren mich heute noch genauso wie damals, als der Kinogang noch ein besonderes Erlebnis für mich darstellte.