Archive for the ‘Geschichte’ Category
EU,Europa und die Hoffnung
Im 60. Jahr der EG/EU wird gefeiert und minimalistisch deklariert. Die Römischen Veträge waren bekannter Weise ein staatspolitisch notwendiges Projekt vor allen Dingen für Frankreich und Deutschland im Kalten Krieg. Es wurde ein gemeinsamer politischer Bund gegen die UdSSR geschlossen. Ökonomisch wurde die Verteilung von Montanindustrie und Nukleartechnologie zuverlässig geregelt. Und für ein Frankreich unter De Gaulle war die junge BRD nicht solitär an die USA angebunden.
Nach dem Zerfall des Warschauer Pakts und dem Zusammneschluss der beiden deutschen Staaten rückten juristische und ökonomische Fragen in den Fokus der EU. In einer multipolaren,globalisierten Welt wollten die nördlichen, reichen Staaten die EU als Globalplayer am Weltmarkt platzieren. Die gemeinsame Währung war dafür ein vordringliches Ziel. Die Maastricht-Kriterien wurden als nationale Hausaufgabe zur Pflicht – weithin bekannt ist das Staatsverschuldungslimit bei 3% des BIP. Inwieweit hier Segnungen für breite Bevölkerungsschichten möglich sein können,wurde den gewählten Nationalführungen überlassen – eine getrübte Tendenz der Wohlstandsverteilung von oben nach unten war allerdings zu verzeichnen.
Seit den letzten Jahren gibt es vielerlei Verunsicherung für die Freunde der EU. Die Austrittsposse Großbritanniens ist nur die Spitze des Eisbergs. Rechtspopulisten versuchen mit EU-Feindlichkeit und Hetze gegen Flüchtlinge das EU-Projekt zu annulieren. Die nationalistischen Bewegungen bekommen Zulauf, in Polen und Ungarn sind sie an der Macht.
Es wird versucht, die EU als Wertegemeinschaft zur Garantierung von Liberalität, Freizügigkeit und Menschenrechten zu fassen. Andere monieren völlig zu Recht die Abschottung der Festung Europa vor den systematisch Benachteiligten aus Afrika, dem Mittleren Osten und Asien.
Grundlegend ist für mich die Überlegung,ob und wie eine republikanische Föderation der EU-Staaten möglich werden kann. Wenn man die Handlungen der EU vor diesem Hintergrund anschaut, ist der Umgang mit der EU-Aussengrenze in den letzte Jahren immer mehr diskussionswürdig und selbst Angela Merkel musste sich zu mehr maritimen Engangement ihrer Flotte im Mittelmeer durchringen. Wer das EU-Projekt nur als Imperialismus begreift, nimmt dem Projekt die Nebenchancen. Nicht nur Erasmusstudenten oder Schüleraustauschfreunde können die ideellen Vorteile einer offenen EU bestens beschreiben. Bei der Wohlstandsverteilung wäre noch viel zu tun. Man muss nicht beim Nord-Süd-Gefälle anfangen,in der BRD sind immer noch zu viele Menschen ökonomisch, sozial und kulturell abgehängt – Stichwort Hartz IV.
Wenn heute institutionelle Föderalisten und EU-Idealisten auf die Strassen Europas gehen, um den Miesepetern etwas entgegen zu setzen, dann ist das eine erfreuliche Entwicklung. Nicht mehr und auch nicht weniger.
Sommerlektüren
Überbleibsel linker Intellektualitäten
Über einen Ttwitterbeitrag wurde ich auf den Konstanzer Autor Konradin Leiner aka QRT (1965-1996) aufmerksam gemacht – QRT wurde im besagten Tweet als protofaschistischer Autor von “Zombologie” vorgestellt, seine Texte werden im Berliner Merve-Verlag in der Nachbarschaft von Foucault, Deleuze, Negri, Baudrillard, Luhmann und Cy Twombly veröffentlicht. Zur Zeit lese ich Tekknologic. Zombologie hängt noch in der sommerlochartigen Bestellschleife bei meinem Buchhändler fest. Ich bin etwas überrascht, welche Ideen im subkulturell elektrobegeisterten Berlin der 80er und 90er den Weg zum gedruckten Wort gefunden haben. Ob das neue Irrlichter aus dem Hause Merve sind? Dem teutonisch linken Ungeist wurden ja aus dem kleinen Verlagshaus in Schöneberg (vormals Wilmersdorf) schon so einige Herausforderungen aus Frankreich und Italien präsentiert. Jetzt weht der textuelle Wind also direkt aus dem Herzen der ehemaligen Frontstadt, wenn auch nur zugereist aus Konstanz und posthum veröffentlicht. Ich begebe mich dann auf die Spurensuche nach Protofaschismus in den mir vorliegenden Textfetzen.
Das Ende der grossen Würfe sei nahe
In einem Gespräch vor einigen Wochen wurde mir ein interessantes Projekt vorgestellt: Eine neue Biographie über den Philosophen Karl Löwith (1897-1973), dessen Autobiographie nicht nur wissenschaftsgeschichtlich interessante Aufschlüsse zur Geschichtswahrnehmung des 20. Jahrhunderts liefert. Die Judenverfolgung und das 1934 ausgesprochene Berufsverbot der Nazis führten ihn zwangsweise über Italien, Japan in die USA. In den 50er Jahren nahm er einen Ruf an die Heidelberger Uni an. Ich schätze ihn seit den 80er Jahren als Wegbereiter dekonstruktivistischer Ansätze historisch-philosophischer Fragestellungen im dt. – engl. Sprachraum. Er wird meist als stoischer, skeptischer und agnostischer Philosoph eingeschätzt. Einer seiner populärsten Texte ist wohl der im deutschen bearbeitete Band “Weltgeschichte und Heilsgeschehen: Die theologischen Voraussetzungen der Geschichtsphilosophi” (engl.: Meaning of History, Chicago University Press, 1942), bei mir liegt aktuell das Taschenbuch des Kohlhammer Verlages aus 1954 in 4. Auflage auf dem Schreibtisch – ich werde mir noch die Originalausgabe und den aktuell herausgegebenen Text besorgen. Die Redaktionsgeschichte des Textes dürfte ein Schlaglicht auf die Rezeptionsgewohnheiten der Texte von Karl Löwith in den Geisteswissenschaften des 20. Jahrhunderts liefern.
Dass ausserhalb des philosophischen Unibetriebes immer noch verbreitet in heilsgeschichtlichen Totalitäten gedacht und argumentiert wird, dürfte kein Geheimnis sein. Ich fühle mich dahingehend in praktisch politischen Ansätzen über Jahrzehnte zurückgeworfen. Es ist nicht nur intellektuell keine Herausforderung, mit Mitmenschen des 21. jahrhunderts über die vorgeblichen Vorteile von “islamischen Republiken” gegenüber westlich-liberalen Gesellschaftsmodellen zu diskutieren. Eine breite Ödnis tut sich da auf.
Zur Belüftung des Geistes bin ich dann aber unter der Führung des Pausanias auf dem Wege durch Athen und Umgebung.
Eine thematische Sommerpause
Meine Liberalismusstudien sind eher für die Winterzeit geeignet, ich werde sie im Herbst fortführen. Der philosophische Erkenntnisgewinn ist bisher eher dürftig ausgefallen, naturrechtliche Überlegungen zur Stärkung des Individualismus kommen mir wie Gymnastikübungen aus dem 19. Jahrhundert vor. Wenn das Laub wieder fällt, kommen aber bestimmt neue Wege zum Vorschein.
Augenklappe und poröses Gedächtnis
Zur Einstimmung das photographische Thema der Augenklappe.
Geschichtswahrnehmung ist ein schwieriges Unterfangen – man ist meistens zu Generalisierungen verdammt. In Deutschland ist das schon am jüngeren Beispiel deutsch-deutscher Erinnerungskultur am lebendigen Objekt studierbar. Richtig kompliziert wird es beim 3. Reich, den Nazimitläufern und dem Thema Widerstand. Totalitäre Regime haben ja die Eigenart, zunächst ihre äusseren und dann ihre inneren Gegner zu liquidieren – jeglicher Widerstand wird abgemäht oder muss ins Exil flüchten. Die Konsensdemokratie in der Bundesrepublik hat sich beim Thema erinnerungswürdiger Widerstand für den Grafen entschieden und sogar Hollywood hat ihm ein kinemathographisches Erinnerungswerk mit Tom Cruise in der Hauptrolle gewidmet
Graf Stauffenberg will aber nicht so wirklich bei den Massen ankommen. Während Amerikaner über die Legende des Grafen erstaunt ins Nachdenken geraten, regiert im deutschen Patriotismus ein gähnendes Loch. Die staatlich subventionierten Rackets oder die vom Topf ausgeschlossene kritische Intelligenzia zerreibt sich im Loben oder Schelten des Grafen. Thomas Schmid bringt drei Hauptgründe für die lahme Gedächtnisimplementierung so auf den Punkt:
… Erstens galt der Widerstand nach 1945 lange noch als etwas Schäbiges, Unpatriotisches. Viele sahen in den Akteuren immer noch Verräter.
Zweitens ging später leise und untergründig, aber wirkungsvoll der Verdacht um, bei den Männern des 20. Juli handele es sich um spätbekehrte Nazis, die Hitlers Reich nicht durch eine Demokratie, sondern durch einen autoritären Ständestaat hätten ersetzen wollen. Auch darüber schwieg man lieber.
Drittens aber: Die Männer und Frauen des 20. Juli scheinen heute um Lichtjahre von uns entfernt zu sein. Die Gewissenskonflikte, die sie quälten, sind einer postpatriotischen Gesellschaft so fern wie die christliche Verwurzelung und das verzweifelte, aber unbeirrbare Verantwortungsethos der Verschwörer. Dass Monarchisten und Sozialisten, Demokraten und Obrigkeitsstaatler, Atheisten und halbe Gottesstaatler für ein Ziel zusammen gingen: Das wirkt auf uns heute seltsam und fast ungehörig…. Quelle: Weltonline
Der erste Punkt scheint für die Nachkriegszeit und bis zum Ende der Berliner Republik der Wiedervereinigungszeit treffend zu sein. Die Jahrzehnte währenden Streitereien um Namensgebungen diverser Bundeswehrkasernen geben ein Schlaglicht auf die Diskurspräferenzen damaliger politischer wie journalistischer Provenienz. Eines sei verraten: Widerständler aus dem 3. Reich waren nicht unter den Namenspaten zu finden, eher Schlachten und deren Protagonisten vom 1870 bis 1918. Streitereien um Wiederbewaffnung, die Westanbindung im NATO-Bündnis, den mündigen Bürger in Uniform bis hin zur Infragestellung der Wehrpflicht sind mir erinnerlich. Minderheitliche, pazifistische Träumereien einer neutralen BRD lieferten sich Propagandaschlachten mit militaristischen Pragmatikern und ewig gestrigen Wehrmachtssoldaten, die “nur ihre Pflicht” unter Hitlers Regime taten. Eine Zeit,in der die politischen Entscheider auch aus dem unendlich grossen Reservoir der Nazimitläufer rekrutiert wurden. Eine üble Zeit. Mit dem Ableben des Herrn Filbinger dürfte diese Gruppe endlich verendet sein oder zumindest im Pflegeheim ihr klägliches Restleben verbringen – eine gewisse Ausnahme dürfte Bundeskanzler a.D. Schmidt darstellen,der zwar über die Wehrmacht nur dummes und relativierendes Zeug verbreitet, der sich aber im hohen Alter immerhin im Verbund mit seiner Gattin für die Rechte rauchender Mitbürger verwendet.
Der zweite Punkt trifft schon eher meinen Nerv,wenn es um die Glorifizierung des Grafen geht. Auch der Anarchist Elser hat viel früher als der Graf versucht,Hitler mit einer Bombe ins Jenseits zu befördern. An ihn wird nur in kleinsten Kreisen gedacht. Bei der bundesrepublikanischen Gedächtnisveranstaltung geht es also nicht un die Würdigung der Beseitigungspraxis eines Tyrannen. Mit dem Grafen wird ein Mitmacher des NS-Regimes gewürdigt, der der NS-Ideologie nicht bis zum letzten Folgen konnte,ein Saulus der zum Paulus wurde. Hier wird an den kläglichen Rest einer dem Endsieg verpflichteten Opposition angeknüpft,die den Untergang nicht über Durchhalteparolen ignorieren oder märtyrisierend mit beschreiten wollte. Für mich eine fragwürdige Veranstaltung, die nur Sinn macht,wenn man sich als Rechtsnachfolger des 3. Reiches ohne eigene Abgrenzungsmassstäbe in die Zukunft begeben muss. Eine demokratisch phantasielose Anknüfung an ein Personal,das Hitler bis zum bombigen 20. Juli übersehen hatte. Um die Opfer des 3. Reiches wird sich mannigfaltig gekümmert. Der Historikerstreit Ende der 80er ebnete einen fruchtbaren Boden,um sich als Deutsche über die Aufrechnungspraxis von Opferzahlen von den Nazigreueltaten zu emanzipieren. Der Widerstand wird vom Staat aber sehr isoliert auf diese kleine Gruppe naserümpfender Mitmacher konzentriert, die nicht einmal erfolgreich waren. Diesen Job mussten dann die Alliierten erledigen. Dieses Eingeständnis scheint aber mit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten flöten gegangen zu sein.
Der dritte Punkt klingt wohlfeil,beschreibt er doch eine Tatsache,die sich aus den Punkten eins und zwei ableiten lässt. Im Vergessen oder nach Jahrzehnten erstaunen zu heucheln,hat die deutsche Öffentlichkeit Routine. Der im Artikel erwähnte Film Holocaust aus 1979 ist ein Paradebeispiel dieser nationalen Autosuggestion,die auch bei der Nachkriegsgeneration ihre Wirkung nicht verfehlte. 30 Jahre nach den Nürnberger Prozessen gaben sich Landser und die Wirtschaftswunderkinder das Staffelholz in die Hände. Die Shoah und der Vernichtungskrieg haben stattgefunden,aber keiner hat dabei mitgemacht. Wer möchte bitte an so eine Mischpoke heute noch gerne erinnert werden?
Am Montag den 20. Juli 2009 werden Rekruten am Reichstag vereidigt (die Orte werden immer geschichtsträchtiger) und im Bendlerblock wird dem Hitlerattentat des Grafen gedacht. Das Eiserne Kreuz für Tapferkeit im Kampf gegen die Taliban in Afghanistan wird wieder verliehen. Ein Zusammenhang dieser Gedächtnis- und Würdigungspolitik lässt sich nur schwer herstellen.
PS: Eine versöhnlichere Sicht auf den Grafen hatte letztes Jahr schon der Scrutograph in Stauffenberg revisited dargestellt. In diesem Jahr beleuchtet er Stauffenbergs Schwur, Varus, Arminius und Richard Herzinger.
PPS: Die Linke bekundet ihren Protest im GELÖBNIX-Bündnis gegen das Rekrutengelöbnis am Reichstag mit Kundgebungen am Potsdamer Platz und am Hauptbahnhof.
PPPS: Auf dem CDU-Politik-Blog wird den Eidbrechern auf den Führer gedacht, Gedenken an den 20. Juli 1944.
Selbstverliebte VIPs:Danken ohne zu Danken
Ich sage es frei heraus: Ungeteilte,wohlfeile Freude über 60 Jahre GG kommen bei mir nicht gerade hoch. Eher Übelkeit,wenn ich die selbstverliebte Art und Weise heutiger Würdenträger miterleben muss.
Gestern am Vormittag gab es einen ökumenischen Dankesgottesdienst im Berliner Dom – Protestanten, Katholiken und Orthodoxe Christen bedankten sich beim Herren in der Höhe für 60 Jahre geschenkte Demokratie in der Bundesrepublik – sie wurde von den Alliierten bei hohem Blutzoll ermöglicht, bedankt wird sich aber beim Herren. Das Dritte Reich wurde mit einem Halbsatz von Bischof Huber als dunkle Zeit erwähnt, der Katholik war nicht einmal dazu in der Lage – ungeteilte Freude eben, als ob die Amtskirchen nichts mit dem NS zu tun gehabt hätten Da konnte mir auch die herzergreifende Musik in der preussischen Ketzerkathedrale – es wurden einige Stücke von Felix Mendelssohn-Bartholdy vortrefflich intoniert – das Kotzen nicht ersparen.
Die Politiker hatten im Dom nicht das Wort, dafür gaben sie als ausgesuchte Gemeindeglieder salbungsvolle Sätze im Rahmen der ökumenischen Lithurgie von sich. Man dankt eben dem Herren, die Aufarbeitung der dunklen Zeit ist ja ehedem herum gebracht. Offensichtlich sind die Amtskirchen nicht mehr in der Lage, einen Bläserchor zu organisieren, hier hat das Stabschor der Bundeswehr ausgeholfen – musikalisch durchaus kompetent, über die Symbolkraft dieser Musiziererei muss ich aber noch nachdenken.
Der Staatsakt danach war dann in die Hände des amtierenden Bundespräsidenten Horst Köhler gelegt, zu dem ich nicht geladen war. Am Gendarmenmarkt war wenig Volk, die Freude über 60 Jahre GG ist nicht gerade in eine Massenbewegung ausgeartet. Bei Spiel und Masquerade auf dem Platz konnte der gemeine Bürger den Staatsakt über Videoleinwand an der Staatsoper am Gendarmenmarkt mit verfolgen, im TV-Sessel zu Hause ist es aber auch bequem.
Am heutigen Samstag wird ein Bürgerfest mit Infoständen vom 17. Juni bis zum Brandenburger Tor ausgerichtet. Am Brandenburger Tor sind zwei Bühnen aufgebaut, auf denen von Udo Jürgens (der hoffentlich seinen Antiimperialismus zu Hause lässt) bis Daniel Barenboim ein vielfältiges kulturelles Programm dargeboten wird. Ich werde zu Andre Hermelins Swingdarbietung kommen, er hat letztes Jahr auch zur 60. Jahresfeier des Staates Israel in Berlin-Mitte auf das Beste mit seinem Orchester aufgespielt, ich hoffe auf ein originelles Set. Die Berliner Swinglegende Coco Schumann als Gastgitarrist wäre z.B. eine nette Überraschung..
Die Linksradikalen aus der Neuen Linken wollen heute auch mitfeiern, sie haben aber etwas anderes als die Nation im Kopf. Ihr Aufmarsch wird ab 17.00 Uhr vom Rosa Luxemburg Platz zum Mauerpark führen. Ob auf dieser Wegstrecke aus einem Dagegensein eine Alternative erwächst, die dem gesellschaftlichen Mainstream alle Chancen rauben wird, bleibt abzuwarten. Den 68ern wurde ja erst kürzlich die Gallionsfigur Benno Ohnesorg weggenommen, sein Mörder war ein Agent der SED-Diktatur. Nicht die Schergen des Kapitalismus haben den 2. Juni begründet, sondern ein Westberliner Polizist mit SED-Parteibuch und IM-Vertrag . Aber man weiss ja nie, ob in den MfS-Akten die Wahrheit abgelegt worden ist, Stalinisten sind immer Meister der Lüge.
Ich danke den Amerikanern für die Westanbindung des Nachkriegsdeutschlands, die Väter des GG haben für meine Begriffe mit dem christlichen Impetus kein sinnvolles Gegengewicht zum vorangegangenen NS implementiert und die Trennung von Staat und Religion ist bis heute immer noch nicht vollzogen. Die Aufarbeitung der NS-Diktatur war schäbig, an der Aufarbeitung der DDR-Diktatur wird das ebenfalls deutlich. Eine betrübliche deutsche Eigenschaft.
Eine säkulare, liberale Gesellschaft wäre mein Favorit. Ich kann noch etwas warten.
references:
Bundespräsident Köhlers Rede
Im Fuchsbau geht es optimistischer zu
Im Mai
Es ist Frühling in Berlin,seit gut zwei Wochen ein blauer Himmel wie auf Zypern – im märkischen Wald soll man wegen der Brandgefahr nicht rauchen oder grillen,aber ich hänge sowieso nur in der Stadt ab. Der Trubel um den 1. Mai hat mich in diesem Jahr nicht berührt – vor ein paar Jahren kamen noch Krawalltouristen zur Protestsimulatin oder Befriedigung der Schaulust aus aller Welt auf Besuch zu mir. Meine Liberalismusforschungen scheinen diesen Teil meines Bekanntschaftskreises zur Umdisponierung motiviert zu haben, ein in der Scholastik bewanderter Theologe wäre mir derzeitig ehrlich gesagt auch hilfreicher.
An diesem Wochenende treffen sich die liberal-libertären Protagonisten der FDP in Berlin-Dahlem,mir fehlt leider die Muse,die mich über Stunden aus der Mitte an den Stadtrand entlassen möchte – der Vortrag “Freie Bildung” von Stefan Blankertz scheint mit aber ein interessanter Input zu sein. —> Humor-Provo.
Im Rahmen der Überlegungen zum sog. “Tag der Arbeit” in 2009 kam mir wieder der ideologische Terror der protestantischen Ethik von Olle Max Weber in den Kopf, die soviel Versager (Arbeitslose) in einer modernen Gesellschaft zu betreuen trachtet – die Sozialisten knüpfen ideologisch direkt daran an. Im Gerede um die Krise wurde diese Ethik nun auch häufiger für die Manager der Hochfinanz populistisch angemahnt. Lord Dahrendorf hält deren Umsetzung aber für äusserst fraglich, nachlesbar in seinem Essay “Nach der Krise: Zurück zur protestantischen Ethik? Sechs Anmerkungen” (HATTIP), den er pünktlich zu seinem achtzigsten Geburtstag in der Presse platzierte.
Erst an diesem Wochenende kam ich dazu,die Texte eines Kolloquiums aus dem Februar 09 über “Kolonialismus und Nationalsozialismus. Die Debatte um (Dis-)Kontinuitäten” zu sichten. Dort ging es um den Zankapfel unter den Historikern, welche Bedeutung der (deutsche) Kolonialismus für den Nationalsozialismus hatte? Die Leute von der iz3w – ein linkes Zeitungsprojekt,das ich immer noch mit Interesse verfolge – haben einiges an Sachverstand in Freiburg versammelt,um den Diskurs in den Fussstapfen der Kritischen Theorie zu beleben – beim iz3w wird übrigens auch die Stelle der Geschäftsführung neu besetzt. Ob eine Bewerbung noch erfolgreich sein kann? Deadline war jedenfalls der 15. April,aber man weiss ja nie.
Die Neuigkeit im Mai 2009: Der Schriftsteller Walter Kempowski,er wäre nun 80 Jahre alt geworden,hat in der Nachkriegszeit doch für den US-Geheimdienst gearbeitet,so,wie es sich für einen aufrichtigen Antikommunisten schickt (link). Für Stalinos war also die Einknastung für 8 Jahre in Bautzen nun objektiv rechtmässig und man kann wieder CIA,CIA vor sich her raunen. Folkloristische Abgesänge auf einen Unrechtsstaat durch die Schnabeltasse der Volkssolidarität,wenn nur deren junge Erben nicht wieder nach der Macht greifen würden.
Einen sonnigen Mai und ich will endlich Sommer 😉
PS: Meine musikalische Neuentdeckung ist Katie Melua,eine georgisch-englische Sängerin.
references:
Kempowski Dossier bei spon
Variationen zur Freiheit,diesmal gesungen
Ich stecke etwas fest in meinen Nachforschungen zur Ideenwelt des Liberalismus. Nicht nur,dass ich derzeitig keine Lust auf Bibliothekenaufenthalte habe,um mir die Scholastiker nebst Anhang im Original einzupfeifen – die übesetzten Fragmente lassen leider mehr Fragen offen als Antworten zu. Und die Rezeption des Liberalismus im 20. Jahrhundert scheint mir verfrüht – marxologisch verseucht wie ich bin, muss ich das Ding vom Grunde her erschliessen,das Nachbeten von Kritik nach 500 Jahren (da sind wir ja alle schlauer) nützen mir nicht viel….. . Ich warte also auf meine Eingebung.
Ich halte also inne,lenke mich mit Döblins Reisebschreibungen und Peter Janichs Taschenspielertricks des Konstruktivismus ab. Eben habe ich ‘mal beschlossen,ein rothaariges Starlet der Siebziger aus meinem allseits geliebten Italien zu Worte kommen zu lassen.
Es geht um einen Song, den die Dame Ende der 70ger in deutscher Sprache veröffentlichte.
Milva – Freiheit in meiner Sprache (1979) (Orig.: Canzone della liberta,1972)
Freiheit in meiner Sprache heißt Liberta!
Gibt es ein schön’res Wort als Liberta!
Doch nicht nur in Italien, überall wo Menschen leben
stehst DU an erster Stelle, Liberta!
DU bist in aller Munde, Liberta!
Alle woll’n doch im Grunde, Liberta!
Aber die Dich besitzen sind auf Dich sehr eifersüchtig,
woll’n Dich mit keinem teilen, Liberta!
Einige Menschen denken, Liberta!
Dich würde man verschenken, Liberta!
Und die es besser wissen, lassen sie in diesem Glauben,
denn sie sind gegen zuviel Liberta!
Scholastik und WiWi °
Die Katholische Theologie des Mittelaters ist die Mutter der Geisteswissenschaften, das wird nicht gerne gehört,aber es ist so. Stefan Blankertz hat mich in der letzten Zeit immer wieder mit der Nase auf den Kern dieser Tatsache gestossen. Letztes Jahr im August ist mir die Errettung der Scholastik des Institut für Wertewirtschaft aufgefallen, Gregor Hochleiter kümmerte sich um die Wertlehre der Spätscholastik. Um was geht es bei der Scholastik allgemein methodisch betrachtet?
Scholastik, abgeleitet vom lateinischen Adjektiv scholasticus („schulisch“, „zum Studium gehörig“), ist die wissenschaftliche Denkweise und Methode der Beweisführung, die in der lateinischsprachigen Gelehrtenwelt des Mittelalters entwickelt wurde.
Bei dieser Methode handelt es sich um ein von den logischen Schriften des Aristoteles ausgehendes Verfahren zur Klärung wissenschaftlicher Fragen mittels theoretischer Erwägungen. Dabei wird eine Behauptung untersucht, indem zuerst die für und die gegen sie sprechenden Argumente nacheinander dargelegt werden und dann eine Entscheidung über ihre Richtigkeit getroffen und begründet wird. Behauptungen werden widerlegt, indem sie entweder als unlogisch oder als Ergebnis einer begrifflichen Unklarheit erwiesen werden oder indem gezeigt wird, dass sie mit evidenten oder bereits bewiesenen Tatsachen unvereinbar sind.
Der heute bekannteste Teil der scholastischen Literatur handelt von theologischen Fragen. Die Scholastik war jedoch keineswegs auf theologische Themen und Ziele begrenzt, sondern umfasste die Gesamtheit des Wissenschaftsbetriebs. Die scholastische Methode wurde als die wissenschaftliche Vorgehensweise schlechthin betrachtet.
Als wirtschaftsliberale Urgesteine gelten gemeinhin die Theoretiker Smith,Ricardo, Say etc.. und einer ihrer geharnischten Kritiker war Karl Marx. Die wirtschaftsliberalen Urgesteine oder Klassiker konnten ihrerseits auf ökonomische Vorarbeiten der Spätscholastik zurückgreifen. Thomas E. Woods Jr eröffnet in seinem ef-Artikel “Kirche und Wirtschaft: Der freie Markt und der katholische Glaube” im Rahmen der Papstdebatte diesen scholastischen Denkraum ökonomischer Überlegungen der Magister des Mittelalters, das forthin nicht mehr so dunkel scheinen möge, wie allgemein angenommen – sein Buch „Sternstunden statt dunkles Mittelalter“ hat nun einen Platz auf meine Leseliste. So wird die retrospektive Kette auch des ökonomischen Denkens immer länger und ich komme dem liberalen Denken wissenschaftsgeschichtlich eine beachtliche Wegstrecke näher.
PS: Wer grundsätzlich Lust zum philosohieren verspürt,kann sich aktuell bei Zettel zum lesen und disputieren einfinden.
° = Wirtschaftswissenschaft
references:
Leben im Mittelalter
Wurzeln des Liberalismus
Man darf doch wohl noch den Papst kritisieren
Vorab eine Verschwörungshypothese, um der Langeweile der Winterzeit zu entgehen: Das xenophobe Blognetzwerk PI (Political Incorrect) ist ein ideologischer Vorposten des säkularen PR-Flügels der Piusbruderschaft. Nachdem PI jahrelang in seinem Verständnis von Islamkritik darauf hingewiesen hat, dass der Prophet Mohammed ein Kinderschänder gewesen sei (Heirat einer Neunjährigen), trauen sich jetzt auch die Pius-Ultras aus der einzig wahren Christenkirche, diese Injurie öffentlichkeitswirksam zu platzieren. Herre, du bist enttarnt. — schnipp —-
Angie hat den Heiligen Vater aufgefordert, für eine ideologische Ordnung in seinem Laden zu sorgen, am Dienstag sagte sie:
In der Frage der Holcaustleugnung durch die bekannten Piusbrüder sieht sich Angie aber grundsätzlich zur Meldung aufgefordert. Dafür bekommt die Bundeskanzlerin gehörigen Wind aus den katholischen Rackets in ihrer Partei (CDU/CSU-Fraktion) in’s Gesicht geblasen. Herr Geis von der CSU und Bischof Mixa mögen diese Form der Einmischung in die Politik des heiligen Stuhls in Rom überhaupt nicht.
Heute hat Angie sich wiederum zufrieden über die Schritte der Kurie bezüglich der Holocaustleugnungen aus der Piusbruderschaft gezeigt:
Woher sie diese Zufriedenheit bezieht,ist mir allerdings schleierhaft, denn der Vatikan fordert Williamson auf “in unmissverständlicher Weise” öffentlich von seinen Erklärungen zur Shoah Abstand zu nehmen”, um seine “vollständige Rehabilitierung” zu erreichen. Wie würde denn bitte eine “unvollständige Reha” ausschauen?
Stefan Blankertz betrachtet die Papst-Causa als das Ausleben einer Machtfrage der Mehrheit (Vatikan) über eine Minderheit (Piusbrüder). Stefan Blankertz versucht zu verstehen,was ich mit der vorangegangen Feststellung gemeint habe und deckt einige Missstände in der Argumentation auf.
Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass sich die Politik aus kirchlichen Fragen heraushalten muss – wie umgekehrt die Kirchen die Politik in Ruhe lassen sollten, ausser man fragt sie zu bestimmten Sachverhalten ausdrücklich nach ihrer Meinung, das soll ja auch vorkommen.
Eine Merkwürdigkeit im Umgang mit Holocaustleugnung,-relativierung und dem Aufruf zum Judenmord hat die politische Mitte in Deutschland aber auch aufzuweisen. Es geht um die ungeheuerlichen Demos zum letzten Gazakrieg in Deutschland, die von pro-Hamas-Vereinen mit eben diesen gruseligen Forderungen und der Israelfahnenkonfiszierung durch die Polizei in Duisburg fragwürdige Blüten austreibt. Warum migrantische Meinungsführer auf der islamistischen Strasse in Deutschland anders behandelt werden, als ein britischer Würdenträger einer katholischen Sekte – oder sollte es besser “Würdenträger einer katholischen Minderheit” heissen? Malte Lehming hat folgende Hypothese aufgestellt:
Es geht also offensichtlich darum, wer etwas sagt und nicht darum, was inhaltlich vetreten wird. Zur Unterscheidung katholischer – vs. islamistischer Antisemitismus hat Daniel das Überlegungsdickicht weiter durchdrungen: Warun Holocaustleugnung nicht gleich Holocaustleugnung ist.
Der Antisemitismus kommt alle Jahre in einem anderen Gewand daher – gegenwärtig werden aus den Opfern der Nazis (Die Juden/ Die Israelis) die Täter am “palästinensischen Völkermord” konstruiert, d.h. dann “Opfer-der Opfer-Diskurs” – der origininäre Antizionismus erfindet immer neue Kampagnen.
Die Piusbrüder sind noch auf dem propgandistischen Wissenstand des “Historikers” David Irving vor 10 Jahren – der sich wohl mittlerweile von den gröbsten Fehleinschätzungen seiner Holcaustleugnungen distanziert hat.
Es geht den Holocaustleugnern nicht um Meinungsfreiheit, sondern um die Öffnung immer neuer Türchen, um den Judenmord doch noch erfolgreich in die Tat umsetzen zu können – von daher erklärt sich auch die grosse Fangemeinde für Hitlers NS-Regime und seine mörderische “Endlösung der Judenfrage”. Momentan ist auf dem internationalen Parkett das iranische Mullahregime der tatkräftigste Unterstützer, ganz im Sinne des Ayatollah Khomeini, der Jerusalem von den Ungläubigen ( und das sind neben den Juden alle sonstigen Nichtmuslime ) befreien wollte. Dieses Ziel vertritt aktuell Ahmadinedjad und die islamistische Strasse haut diese Ideologie den westlichen Demolratien auf Demos lautstark um die Ohren. Das sollte man politisch Ernst nehmen und nicht unterschätzen.
PS: Ein Freund hat mir heute berichtet, er habe für Benedetto mehrere Rosenkränze gebetet, damit er die richtigen Worte in diesem Piusbrüder-Debakel finden möge.
references:
Der Weg zur Aufhebung der Exkommunikation Ein Gastbeitrag von Gorgasal bei Zettel
Widerstand ist farbenblind
Komische katholische Kirche
“Christusmörder”
Wolfsrudel im ZDF
Nun ist der neueste Coup im Erinnerungsdiskurs auch wieder bei Kreti und Pleti angekommen. Im ZDF kommt heute nach dem Bergdoktor der erste Teil des Dreiteilers “Die Wölfe”. Eine Telenovela, historisch angesiedelt zwischen dem Ableben von Blondie und dem Mauerfall. Von der Trümmerjugend zum vereinigten Vaterland in 1990.
references:
Karin war vom 1. Teil schon begeistert
Holocaust-Gedenken in Deutschland und ein Walkürenritt durch’s Kino
Die BRD wird 60.
Gedenktage spiegeln der Öffentlichkeit wichtige Ereignisse, die der entwickelten Staatsräson auch nach aussen Repräsentanz verleihen. Der “Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus” im deutschen Bundestag – in 2009 ohne den Zentralrat der Juden in Deutschland – ist eine denkwürdige Veranstaltung (Text Lammert Rede). Der Rechtsnachfolger des 3. Reiches übernimmt seit Jahrzehnten staatliche Verantwortung für die Untaten des Naziregimes, dessen Generation zunehmend verstummt und bald vollständig auf den Friedhöfen verschwindet.
Vom Reichstag in’s flache Land
Im Bundestag findet sich keine Fraktion, die dem “1000 jährigen Reich” auch nur eine Träne nachweint, in den Ländern ist das bekanntlich nicht flächendeckend der Fall, in nicht wenigen Kommunen und einigen Landtagen haben die Nazinachfolger Fraktionsstatus. Der Bundestag ist bis auf die Linksfraktion mit Demokraten besetzt. Sozialisten vom Schlage der PDS sind zentralistisch-demokratisch organisiert, eine leninistische Camouflage für demokratische Organisierung, sie versuchen sich seit der Wende mit kaum spürbaren Erfolgen (abgesehen von Wahlergebnissen), in die Verhandlungsdemokratie einzutakten.
Die Abgeordneten erinnern sich
Die berührende Gedenkstunde im Bundestag zeigt auch heute noch die massive Scham und Schuld, welche die Abgeordneten beim Benennen der Nazigreuel zwischen 1933 und 1945 empfinden können. Der 27. Januar wird gemeinhin als “Holocaust-Gedenktag” benannt – an diesem Tag in 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee die wenigen Überlebenden des Vernichtungslagers Oświęcim/Auschwitz in Polen – hier wurden Juden aus ganz Europa während der Wehrmachtsfeldzüge geplant industriell getötet, zwischen 1940 und 1945 wurden dort über 1,1 Million Menschen ermordet.
Vom Richterstuhl zum Pragmatismus
Martin regt in seinem lesenwerten Essay “Die Zeit heilt keine Wunden” zu einem neuen Gedanken über den Umgang mit dem 3. Reich an: Die Frage “wer ist daran schuld?” sei falsch gestellt, vielmehr gehe es um verantwortlichen Handeln heute.
Schuld können nur Täter oder Mittäter übernehmen und dass in der Vergangenheit zeitnah zum WKII einiges an Aufklärung und Sühne von den verantwortlichen Rackets aus Justiz und Politik behindert oder gar unterlassen wurde, ist eine traurige Tatsache. Der Antikommunismus des heraufziehenden Kalten Krieges baute nicht wenigen ehemaligen Nazis ein molliges Nest schon im Schosse der Westalliierten, die Restwärme reichte für die meisten auch bis weit in die Bundesrepublik hinein. In den vergangenen Jahrzehnten blieb auch genug Zeit, den Begriff des verantwortlichen Nazis immer wieder neu zu modellieren. Manche nennen das Fortschritt.
Wer erinnert sich noch?
Mit der Unsichtbarkeit und dem Aussterben der Erlebnisgeneration – hier sind Täter, Mitläufer und Opfer gleichermassen gemeint – wird die ganze Veranstaltung immer mehr zu einer literarisch-historischen Charade: Bis der ganze Sachverhalt nachbearbeitet ist, hat man entweder eine Hochschulprofessur in Geschichte erreicht, ist Berufspolitiker in den einschlägigen Parteien geworden oder hinterm kärglich befeuerten Öfchen verbittert zurückgeblieben. Während dessen schreibt ein hoch bezahlter Kulturapparat weiter am Narrativ der nationalen Erinnerung. Die Karawane zieht weiter, mittlerweile ist man schon wieder bei König Otto I. angekommen . Nebenbei: So hat auch meine seelige Oma deutsche Geschichte gelernt, im Kaiserreich.
Antiamerikanische Projektionen
Eine Paradebeispiel kultureller und sozialpsychologischer Verschiebung ist am Beispiel der öffentlichen Debatte über den Walküre-Film mit Tom Cruise beobachtbar. Schon während der Dreharbeiten in Berlin wurden verräterische Fragen von der Journaille und ausgesuchten Politikern aufgeworfen: Darf 1. ein Ami, aus 2. Hollywood und 3. der auch noch prominenter Scientologe ist, den Widerstandskämpfer Graf Stauffenberg mimen?
Das Denkmal
Ich möchte jetzt nicht der Frage nachgehen, ob Stauffenberg als das richtige Symbol für den Widerstand im 3. Reich von Staatswegen ausgewählt wurde – er ist es einfach qua politischer Entscheidung, was aus guten Gründen kritisierbar ist. Die Kritik ändert aber nichts am abgeschlossenen Auswahlverfahren zur Ausschmückung bundesrepublikanischer Staatsräson, was das staatliche Selbstverständnis von Widerstand zwischen ’33-’45 anbetrifft.
Ein adeliger Offizier der Wehrmacht hatte sich ab einem bestimmten biografischen Punkt entschieden, dem GröFaZ den Gehorsam zu verweigern, ihm das Leben und die Macht zu entreissen und er war nicht alleine mit diesem Anliegen. Das Anliegen scheiterte, Stauffenberg und seine Komplizen starben rückblickend den militärischen Heldentod und die Alliierten konnten nur unter grössten Verlusten die Folgen der Naziideologie kriegerisch beenden.
Das biblische Thema „vom Saul zum Paul“ ist am Beispiel des Grafen national zum Erfolg gekommen. Ein hochrangiger Mitmacher aus Hitlers Wehrmacht als Heldenfigur, der leider erfolglose Totmacher des unbequemen Tyrannen als nationales Vorbild eines demokratischen Staates. Das alles sind sehr seltsame Projektionen nach jahrelangem Weltmeistertum in der Wiederaufarbeitung, das Ergebnis wirkt freundlich betrachtet etwas mager.
Walküre reitet unter neidvollen Blicken
Die argwöhnische Begleitung des Walküre-Filmprojekts offenbarte nichts anderes als Neid über die gut ausgestattete US-amerikanische, kinematographische Fremdbesetzung eines nationalen Symbols. Den nationalen Neid konnte auch die Verehrung des Hauptsdarstellers für den heldenhaften Grafen nicht heilen. Zum Neid gesellt sich die Scham an die Amis über den verlorenen Krieg: Ein Schauspieler der Siegernation erfrecht sich, das einzig übrig gebliebene Widerstandssymbol der BRD filmisch zu besetzen. Hätte nicht wenigstens ein deutscher Darsteller für die Rolle ausgewählt werden müssen? Oder anders gesagt: Uns reicht doch die Zeitmaschine des Guido Knoop mit seinen historischen Fraktalen im ZDF – wehe, wenn die Erinnerung von aussen kommt.
Wenn der ehemalige Feind die Gedenkstunden ursurpiert
Nun ist Tom Cruise nicht nur Ami und Hollywoodschauspieler, zwei Ausschlusskriterien für den nationalen Gedenkdiskurs, sondern auch ein hochrangiger Schientologe. Das ist in old-europe natürlich ganz und gar nicht political correct. So sehr es mir als Atheist gefällt, dass die Scientologen den Begriff der Kirche maximal verhohnepiepeln – das hat aber vornehmlich steuerliche Gründe, mein Amusement ist nur ein Abfallprodukt scientologischer Geldgier – sehe ich deren Wirken sehr skeptisch und ich habe kein Problem damit, sollte der Laden beim nächsten faux-pas dicht gemacht werden; aber mal sehen, was Hillary Clinton so bei ihrem ersten Besuch bei der Bundesregierung für die Scientologen alles an Forderungen im Köfferchen hat. Ihr Gatte Bill hat ja seinerzeit den Hubbardepigonen den Kirchenstatus in den USA auf das Beste zementiert. Ob Frau Aussenminister wohl dieses familiäre Erbe der “Religionsfreiheit” fortführen wird?
Ausblick
Ob die Miesepetereien über den Tom Cruise Film dessen Erfolg hier schmälern werden, weiss ich nicht. Ich hoffe das nicht, denn es kommt wenigstens ein wenig Kenntnis über die Geschichten aus dem Nahbereich des GröFaZ in grösseren Kreisen dieser Kulturnation der Dichter und Denker an. Daran kann dann ja der kritische Weltgeist anknüpfen und für Vertiefung sorgen, wenn es beliebt. Bei der nächsten Gelöbnix-Demo am berliner Bendlerblock könnten aber auch mehr Leute verstehen, warum man dort dem Grafen nicht umstandslos zujubeln möchte. Aber die Freunde der Widerstandsymbolik müssen sich keine Sorgen machen, das Heldenepos – an dem auch Tom Cruise sehr gelegen ist – wird sicherlich mehrheitlich in den Köpfen haften bleiben.
Den Graf von Stauffenberg und endlose Leichenberge toter KZ-Häftlinge in Auschwitz. Diese Bilder als Erinnerungskultur zusammen zu denken, fällt mir auch nicht leicht. Ich für meinen Teil habe eine eigene “Heldin” aus der Zeit des 3. Reiches, sie hiess Hannah Arendt – sie hat viele jüdische Kinder aus dem Europa der Nazis nach Palästina gebracht und so viele Leben gerettet. Zur Geisteshaltung im Nachkriegsdeutschland schrieb sie die zeitlose Einschätzung:
„Die Gleichgültigkeit, mit der sich die Deutschen durch die Trümmer bewegen, findet ihre genaue Entsprechung darin, dass niemand um die Toten trauert.“ Hingegen kursierten zahlreiche Geschichten über die Leiden der Deutschen, die gegen die Leiden der anderen aufgerechnet würden, wobei die „Leidensbilanz“ in Deutschland stillschweigend als ausgeglichen gelte. Die Flucht vor der Verantwortung und die Zuschreibung von Schuld auf die Besatzungsmächte seien weit verbreitet. „Der Durchschnittsdeutsche sucht die Ursachen des letzten Krieges nicht in den Taten des Naziregimes, sondern in den Ereignissen, die zur Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies geführt haben.“
Was ist daraus nach all den Jahren geworden? Ein Land mit Leuten, die sich nur mit sich selbst beschäftigen, für die es in der Frage des 3. Reiches kein Aussen und keine konsequente Empathie mit den Opfern – und schon garnicht mit deren Enkeln in Israel – gibt. Auch das ist freundlich betrachtet ein mageres Ergebnis der Aufarbeitungsweltmeister.
references:
Alle Obrigkeit will Gewissenlosigkeit
Macht doch Euren Holocust alleine!
Tom Cruise, Stauffenberg und Widerstandsgeist
Filmkritiken von Mark, Jan und Gideon
Zum fragwürdigen Begriff “Operation Walküre”
Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit , Berlin
have a nice weekend
Am Freitag haben mich die Bazillen endgültig erlegt, ich hüte das Krankenbett und bekomme mal wieder viel zu viel Fernsehen mit: Der ehemalige Kofferträger des Gasmanns aus dem Bundeskanzleramt bemüht sich im mittleren Osten um Frieden – und meint nur die Aufrechterhaltung eines Status Quo, der die jahrelangen Raketenbeschüsse der Hamas auf Israel in seinem zynischen, sozialdemokratischen Friedenshirn als diplomatisches Ziel unbeirrt mit auf seiner Agenda behält. Ein Grund mehr, der Sozialdemokratie die Regierungsverantwortung im September aus der Hand zu nehmen.
Die “deutsche Strasse” gibt sich wie immer mehrheitlich friedensbesoffen, ihre antiwestlichen Gemeinsamkeiten mit der “islamistischen Strasse” treffen sich punktgenau im Feindbild auf Israel – dem Mullahregime in Teheran muss darüber das Herz im Busen hüpfen, islamistischer Terror lohnt sich also nicht nur in Gaza oder Südlibanon.
In Berlin haben sich heute Nachmittag einige Tausend Freunde Israels zusammengefunden, um für Israels Recht auf Selbstverteidigung zu demonstrieren (Fotos) – in Frankfurt am Main waren es weit über Eintausend. In einigen Städten werden israelfahnentragende Bürger von Islamisten, Linken und Polizei gleichermassen als Provokation eingestuft. Eine fragwürdige Übung, die sich seit Jahren zum Ritual der Exekutive bei antisemitischen Aufmärschen verdichtet: Sind wir nicht alle ein bischen Chomeini?
Die Verantwortung der Mullahs aus Teheran für die beklagenswerte Lage der Bewohner des Gazastreifens kann nicht oft genug herausgestellt werden. Hamas hat mit ihrer Agenda der Vernichtung Israels ganz Gaza in Geiselhaft genommen. Es scheint mir höchst unvernünftig, dass sich die Araber über Jahrzehnte von ideologischen Extremisten am Nasenring durch die Zeitgeschichte ziehen lassen, zunächst von den panarabischen Nationalsozialisten (Muslimbrüder, PLO , PFLP) und nun von den Islamisten der Hamas. Äquidistanz ist dabei die falsche politische Strategie, sie spielt nur dem Kalkül der Mullahs zur Vorherrschaft auf der islamistischen Strasse in die Hände, die mit der A-Bombe eine ganz neue Wucht gegen die Demokratien und den Westen aufbauen. Wer sich gegen dieses Ansinnen nicht verwahrt, hat doch nicht mehr alle Tassen im Schränkchen.
references:
Die islamistische Strasse in Duisburg (Video)
Lila: Leseproben
A-Team: Solidarnosc
A-Team: Bestimmen Islamisten polizeiliches Handeln?
anaximander: Europa hat den Judenhass reimportiert
dissi: frieden durch kalifat
Zettel: Der alte Nahost-Konflikt ist Geschichte. Der Gaza-Krieg macht die neuen Fronten deutlich. Bericht über drei aktuelle Analysen