Archive for the ‘Patriotismus’ Category
Augenklappe und poröses Gedächtnis
Zur Einstimmung das photographische Thema der Augenklappe.
Geschichtswahrnehmung ist ein schwieriges Unterfangen – man ist meistens zu Generalisierungen verdammt. In Deutschland ist das schon am jüngeren Beispiel deutsch-deutscher Erinnerungskultur am lebendigen Objekt studierbar. Richtig kompliziert wird es beim 3. Reich, den Nazimitläufern und dem Thema Widerstand. Totalitäre Regime haben ja die Eigenart, zunächst ihre äusseren und dann ihre inneren Gegner zu liquidieren – jeglicher Widerstand wird abgemäht oder muss ins Exil flüchten. Die Konsensdemokratie in der Bundesrepublik hat sich beim Thema erinnerungswürdiger Widerstand für den Grafen entschieden und sogar Hollywood hat ihm ein kinemathographisches Erinnerungswerk mit Tom Cruise in der Hauptrolle gewidmet
Graf Stauffenberg will aber nicht so wirklich bei den Massen ankommen. Während Amerikaner über die Legende des Grafen erstaunt ins Nachdenken geraten, regiert im deutschen Patriotismus ein gähnendes Loch. Die staatlich subventionierten Rackets oder die vom Topf ausgeschlossene kritische Intelligenzia zerreibt sich im Loben oder Schelten des Grafen. Thomas Schmid bringt drei Hauptgründe für die lahme Gedächtnisimplementierung so auf den Punkt:
… Erstens galt der Widerstand nach 1945 lange noch als etwas Schäbiges, Unpatriotisches. Viele sahen in den Akteuren immer noch Verräter.
Zweitens ging später leise und untergründig, aber wirkungsvoll der Verdacht um, bei den Männern des 20. Juli handele es sich um spätbekehrte Nazis, die Hitlers Reich nicht durch eine Demokratie, sondern durch einen autoritären Ständestaat hätten ersetzen wollen. Auch darüber schwieg man lieber.
Drittens aber: Die Männer und Frauen des 20. Juli scheinen heute um Lichtjahre von uns entfernt zu sein. Die Gewissenskonflikte, die sie quälten, sind einer postpatriotischen Gesellschaft so fern wie die christliche Verwurzelung und das verzweifelte, aber unbeirrbare Verantwortungsethos der Verschwörer. Dass Monarchisten und Sozialisten, Demokraten und Obrigkeitsstaatler, Atheisten und halbe Gottesstaatler für ein Ziel zusammen gingen: Das wirkt auf uns heute seltsam und fast ungehörig…. Quelle: Weltonline
Der erste Punkt scheint für die Nachkriegszeit und bis zum Ende der Berliner Republik der Wiedervereinigungszeit treffend zu sein. Die Jahrzehnte währenden Streitereien um Namensgebungen diverser Bundeswehrkasernen geben ein Schlaglicht auf die Diskurspräferenzen damaliger politischer wie journalistischer Provenienz. Eines sei verraten: Widerständler aus dem 3. Reich waren nicht unter den Namenspaten zu finden, eher Schlachten und deren Protagonisten vom 1870 bis 1918. Streitereien um Wiederbewaffnung, die Westanbindung im NATO-Bündnis, den mündigen Bürger in Uniform bis hin zur Infragestellung der Wehrpflicht sind mir erinnerlich. Minderheitliche, pazifistische Träumereien einer neutralen BRD lieferten sich Propagandaschlachten mit militaristischen Pragmatikern und ewig gestrigen Wehrmachtssoldaten, die “nur ihre Pflicht” unter Hitlers Regime taten. Eine Zeit,in der die politischen Entscheider auch aus dem unendlich grossen Reservoir der Nazimitläufer rekrutiert wurden. Eine üble Zeit. Mit dem Ableben des Herrn Filbinger dürfte diese Gruppe endlich verendet sein oder zumindest im Pflegeheim ihr klägliches Restleben verbringen – eine gewisse Ausnahme dürfte Bundeskanzler a.D. Schmidt darstellen,der zwar über die Wehrmacht nur dummes und relativierendes Zeug verbreitet, der sich aber im hohen Alter immerhin im Verbund mit seiner Gattin für die Rechte rauchender Mitbürger verwendet.
Der zweite Punkt trifft schon eher meinen Nerv,wenn es um die Glorifizierung des Grafen geht. Auch der Anarchist Elser hat viel früher als der Graf versucht,Hitler mit einer Bombe ins Jenseits zu befördern. An ihn wird nur in kleinsten Kreisen gedacht. Bei der bundesrepublikanischen Gedächtnisveranstaltung geht es also nicht un die Würdigung der Beseitigungspraxis eines Tyrannen. Mit dem Grafen wird ein Mitmacher des NS-Regimes gewürdigt, der der NS-Ideologie nicht bis zum letzten Folgen konnte,ein Saulus der zum Paulus wurde. Hier wird an den kläglichen Rest einer dem Endsieg verpflichteten Opposition angeknüpft,die den Untergang nicht über Durchhalteparolen ignorieren oder märtyrisierend mit beschreiten wollte. Für mich eine fragwürdige Veranstaltung, die nur Sinn macht,wenn man sich als Rechtsnachfolger des 3. Reiches ohne eigene Abgrenzungsmassstäbe in die Zukunft begeben muss. Eine demokratisch phantasielose Anknüfung an ein Personal,das Hitler bis zum bombigen 20. Juli übersehen hatte. Um die Opfer des 3. Reiches wird sich mannigfaltig gekümmert. Der Historikerstreit Ende der 80er ebnete einen fruchtbaren Boden,um sich als Deutsche über die Aufrechnungspraxis von Opferzahlen von den Nazigreueltaten zu emanzipieren. Der Widerstand wird vom Staat aber sehr isoliert auf diese kleine Gruppe naserümpfender Mitmacher konzentriert, die nicht einmal erfolgreich waren. Diesen Job mussten dann die Alliierten erledigen. Dieses Eingeständnis scheint aber mit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten flöten gegangen zu sein.
Der dritte Punkt klingt wohlfeil,beschreibt er doch eine Tatsache,die sich aus den Punkten eins und zwei ableiten lässt. Im Vergessen oder nach Jahrzehnten erstaunen zu heucheln,hat die deutsche Öffentlichkeit Routine. Der im Artikel erwähnte Film Holocaust aus 1979 ist ein Paradebeispiel dieser nationalen Autosuggestion,die auch bei der Nachkriegsgeneration ihre Wirkung nicht verfehlte. 30 Jahre nach den Nürnberger Prozessen gaben sich Landser und die Wirtschaftswunderkinder das Staffelholz in die Hände. Die Shoah und der Vernichtungskrieg haben stattgefunden,aber keiner hat dabei mitgemacht. Wer möchte bitte an so eine Mischpoke heute noch gerne erinnert werden?
Am Montag den 20. Juli 2009 werden Rekruten am Reichstag vereidigt (die Orte werden immer geschichtsträchtiger) und im Bendlerblock wird dem Hitlerattentat des Grafen gedacht. Das Eiserne Kreuz für Tapferkeit im Kampf gegen die Taliban in Afghanistan wird wieder verliehen. Ein Zusammenhang dieser Gedächtnis- und Würdigungspolitik lässt sich nur schwer herstellen.
PS: Eine versöhnlichere Sicht auf den Grafen hatte letztes Jahr schon der Scrutograph in Stauffenberg revisited dargestellt. In diesem Jahr beleuchtet er Stauffenbergs Schwur, Varus, Arminius und Richard Herzinger.
PPS: Die Linke bekundet ihren Protest im GELÖBNIX-Bündnis gegen das Rekrutengelöbnis am Reichstag mit Kundgebungen am Potsdamer Platz und am Hauptbahnhof.
PPPS: Auf dem CDU-Politik-Blog wird den Eidbrechern auf den Führer gedacht, Gedenken an den 20. Juli 1944.
Selbstverliebte VIPs:Danken ohne zu Danken
Ich sage es frei heraus: Ungeteilte,wohlfeile Freude über 60 Jahre GG kommen bei mir nicht gerade hoch. Eher Übelkeit,wenn ich die selbstverliebte Art und Weise heutiger Würdenträger miterleben muss.
Gestern am Vormittag gab es einen ökumenischen Dankesgottesdienst im Berliner Dom – Protestanten, Katholiken und Orthodoxe Christen bedankten sich beim Herren in der Höhe für 60 Jahre geschenkte Demokratie in der Bundesrepublik – sie wurde von den Alliierten bei hohem Blutzoll ermöglicht, bedankt wird sich aber beim Herren. Das Dritte Reich wurde mit einem Halbsatz von Bischof Huber als dunkle Zeit erwähnt, der Katholik war nicht einmal dazu in der Lage – ungeteilte Freude eben, als ob die Amtskirchen nichts mit dem NS zu tun gehabt hätten Da konnte mir auch die herzergreifende Musik in der preussischen Ketzerkathedrale – es wurden einige Stücke von Felix Mendelssohn-Bartholdy vortrefflich intoniert – das Kotzen nicht ersparen.
Die Politiker hatten im Dom nicht das Wort, dafür gaben sie als ausgesuchte Gemeindeglieder salbungsvolle Sätze im Rahmen der ökumenischen Lithurgie von sich. Man dankt eben dem Herren, die Aufarbeitung der dunklen Zeit ist ja ehedem herum gebracht. Offensichtlich sind die Amtskirchen nicht mehr in der Lage, einen Bläserchor zu organisieren, hier hat das Stabschor der Bundeswehr ausgeholfen – musikalisch durchaus kompetent, über die Symbolkraft dieser Musiziererei muss ich aber noch nachdenken.
Der Staatsakt danach war dann in die Hände des amtierenden Bundespräsidenten Horst Köhler gelegt, zu dem ich nicht geladen war. Am Gendarmenmarkt war wenig Volk, die Freude über 60 Jahre GG ist nicht gerade in eine Massenbewegung ausgeartet. Bei Spiel und Masquerade auf dem Platz konnte der gemeine Bürger den Staatsakt über Videoleinwand an der Staatsoper am Gendarmenmarkt mit verfolgen, im TV-Sessel zu Hause ist es aber auch bequem.
Am heutigen Samstag wird ein Bürgerfest mit Infoständen vom 17. Juni bis zum Brandenburger Tor ausgerichtet. Am Brandenburger Tor sind zwei Bühnen aufgebaut, auf denen von Udo Jürgens (der hoffentlich seinen Antiimperialismus zu Hause lässt) bis Daniel Barenboim ein vielfältiges kulturelles Programm dargeboten wird. Ich werde zu Andre Hermelins Swingdarbietung kommen, er hat letztes Jahr auch zur 60. Jahresfeier des Staates Israel in Berlin-Mitte auf das Beste mit seinem Orchester aufgespielt, ich hoffe auf ein originelles Set. Die Berliner Swinglegende Coco Schumann als Gastgitarrist wäre z.B. eine nette Überraschung..
Die Linksradikalen aus der Neuen Linken wollen heute auch mitfeiern, sie haben aber etwas anderes als die Nation im Kopf. Ihr Aufmarsch wird ab 17.00 Uhr vom Rosa Luxemburg Platz zum Mauerpark führen. Ob auf dieser Wegstrecke aus einem Dagegensein eine Alternative erwächst, die dem gesellschaftlichen Mainstream alle Chancen rauben wird, bleibt abzuwarten. Den 68ern wurde ja erst kürzlich die Gallionsfigur Benno Ohnesorg weggenommen, sein Mörder war ein Agent der SED-Diktatur. Nicht die Schergen des Kapitalismus haben den 2. Juni begründet, sondern ein Westberliner Polizist mit SED-Parteibuch und IM-Vertrag . Aber man weiss ja nie, ob in den MfS-Akten die Wahrheit abgelegt worden ist, Stalinisten sind immer Meister der Lüge.
Ich danke den Amerikanern für die Westanbindung des Nachkriegsdeutschlands, die Väter des GG haben für meine Begriffe mit dem christlichen Impetus kein sinnvolles Gegengewicht zum vorangegangenen NS implementiert und die Trennung von Staat und Religion ist bis heute immer noch nicht vollzogen. Die Aufarbeitung der NS-Diktatur war schäbig, an der Aufarbeitung der DDR-Diktatur wird das ebenfalls deutlich. Eine betrübliche deutsche Eigenschaft.
Eine säkulare, liberale Gesellschaft wäre mein Favorit. Ich kann noch etwas warten.
references:
Bundespräsident Köhlers Rede
Im Fuchsbau geht es optimistischer zu
Holocaust-Gedenken in Deutschland und ein Walkürenritt durch’s Kino
Die BRD wird 60.
Gedenktage spiegeln der Öffentlichkeit wichtige Ereignisse, die der entwickelten Staatsräson auch nach aussen Repräsentanz verleihen. Der “Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus” im deutschen Bundestag – in 2009 ohne den Zentralrat der Juden in Deutschland – ist eine denkwürdige Veranstaltung (Text Lammert Rede). Der Rechtsnachfolger des 3. Reiches übernimmt seit Jahrzehnten staatliche Verantwortung für die Untaten des Naziregimes, dessen Generation zunehmend verstummt und bald vollständig auf den Friedhöfen verschwindet.
Vom Reichstag in’s flache Land
Im Bundestag findet sich keine Fraktion, die dem “1000 jährigen Reich” auch nur eine Träne nachweint, in den Ländern ist das bekanntlich nicht flächendeckend der Fall, in nicht wenigen Kommunen und einigen Landtagen haben die Nazinachfolger Fraktionsstatus. Der Bundestag ist bis auf die Linksfraktion mit Demokraten besetzt. Sozialisten vom Schlage der PDS sind zentralistisch-demokratisch organisiert, eine leninistische Camouflage für demokratische Organisierung, sie versuchen sich seit der Wende mit kaum spürbaren Erfolgen (abgesehen von Wahlergebnissen), in die Verhandlungsdemokratie einzutakten.
Die Abgeordneten erinnern sich
Die berührende Gedenkstunde im Bundestag zeigt auch heute noch die massive Scham und Schuld, welche die Abgeordneten beim Benennen der Nazigreuel zwischen 1933 und 1945 empfinden können. Der 27. Januar wird gemeinhin als “Holocaust-Gedenktag” benannt – an diesem Tag in 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee die wenigen Überlebenden des Vernichtungslagers Oświęcim/Auschwitz in Polen – hier wurden Juden aus ganz Europa während der Wehrmachtsfeldzüge geplant industriell getötet, zwischen 1940 und 1945 wurden dort über 1,1 Million Menschen ermordet.
Vom Richterstuhl zum Pragmatismus
Martin regt in seinem lesenwerten Essay “Die Zeit heilt keine Wunden” zu einem neuen Gedanken über den Umgang mit dem 3. Reich an: Die Frage “wer ist daran schuld?” sei falsch gestellt, vielmehr gehe es um verantwortlichen Handeln heute.
Schuld können nur Täter oder Mittäter übernehmen und dass in der Vergangenheit zeitnah zum WKII einiges an Aufklärung und Sühne von den verantwortlichen Rackets aus Justiz und Politik behindert oder gar unterlassen wurde, ist eine traurige Tatsache. Der Antikommunismus des heraufziehenden Kalten Krieges baute nicht wenigen ehemaligen Nazis ein molliges Nest schon im Schosse der Westalliierten, die Restwärme reichte für die meisten auch bis weit in die Bundesrepublik hinein. In den vergangenen Jahrzehnten blieb auch genug Zeit, den Begriff des verantwortlichen Nazis immer wieder neu zu modellieren. Manche nennen das Fortschritt.
Wer erinnert sich noch?
Mit der Unsichtbarkeit und dem Aussterben der Erlebnisgeneration – hier sind Täter, Mitläufer und Opfer gleichermassen gemeint – wird die ganze Veranstaltung immer mehr zu einer literarisch-historischen Charade: Bis der ganze Sachverhalt nachbearbeitet ist, hat man entweder eine Hochschulprofessur in Geschichte erreicht, ist Berufspolitiker in den einschlägigen Parteien geworden oder hinterm kärglich befeuerten Öfchen verbittert zurückgeblieben. Während dessen schreibt ein hoch bezahlter Kulturapparat weiter am Narrativ der nationalen Erinnerung. Die Karawane zieht weiter, mittlerweile ist man schon wieder bei König Otto I. angekommen . Nebenbei: So hat auch meine seelige Oma deutsche Geschichte gelernt, im Kaiserreich.
Antiamerikanische Projektionen
Eine Paradebeispiel kultureller und sozialpsychologischer Verschiebung ist am Beispiel der öffentlichen Debatte über den Walküre-Film mit Tom Cruise beobachtbar. Schon während der Dreharbeiten in Berlin wurden verräterische Fragen von der Journaille und ausgesuchten Politikern aufgeworfen: Darf 1. ein Ami, aus 2. Hollywood und 3. der auch noch prominenter Scientologe ist, den Widerstandskämpfer Graf Stauffenberg mimen?
Das Denkmal
Ich möchte jetzt nicht der Frage nachgehen, ob Stauffenberg als das richtige Symbol für den Widerstand im 3. Reich von Staatswegen ausgewählt wurde – er ist es einfach qua politischer Entscheidung, was aus guten Gründen kritisierbar ist. Die Kritik ändert aber nichts am abgeschlossenen Auswahlverfahren zur Ausschmückung bundesrepublikanischer Staatsräson, was das staatliche Selbstverständnis von Widerstand zwischen ’33-’45 anbetrifft.
Ein adeliger Offizier der Wehrmacht hatte sich ab einem bestimmten biografischen Punkt entschieden, dem GröFaZ den Gehorsam zu verweigern, ihm das Leben und die Macht zu entreissen und er war nicht alleine mit diesem Anliegen. Das Anliegen scheiterte, Stauffenberg und seine Komplizen starben rückblickend den militärischen Heldentod und die Alliierten konnten nur unter grössten Verlusten die Folgen der Naziideologie kriegerisch beenden.
Das biblische Thema „vom Saul zum Paul“ ist am Beispiel des Grafen national zum Erfolg gekommen. Ein hochrangiger Mitmacher aus Hitlers Wehrmacht als Heldenfigur, der leider erfolglose Totmacher des unbequemen Tyrannen als nationales Vorbild eines demokratischen Staates. Das alles sind sehr seltsame Projektionen nach jahrelangem Weltmeistertum in der Wiederaufarbeitung, das Ergebnis wirkt freundlich betrachtet etwas mager.
Walküre reitet unter neidvollen Blicken
Die argwöhnische Begleitung des Walküre-Filmprojekts offenbarte nichts anderes als Neid über die gut ausgestattete US-amerikanische, kinematographische Fremdbesetzung eines nationalen Symbols. Den nationalen Neid konnte auch die Verehrung des Hauptsdarstellers für den heldenhaften Grafen nicht heilen. Zum Neid gesellt sich die Scham an die Amis über den verlorenen Krieg: Ein Schauspieler der Siegernation erfrecht sich, das einzig übrig gebliebene Widerstandssymbol der BRD filmisch zu besetzen. Hätte nicht wenigstens ein deutscher Darsteller für die Rolle ausgewählt werden müssen? Oder anders gesagt: Uns reicht doch die Zeitmaschine des Guido Knoop mit seinen historischen Fraktalen im ZDF – wehe, wenn die Erinnerung von aussen kommt.
Wenn der ehemalige Feind die Gedenkstunden ursurpiert
Nun ist Tom Cruise nicht nur Ami und Hollywoodschauspieler, zwei Ausschlusskriterien für den nationalen Gedenkdiskurs, sondern auch ein hochrangiger Schientologe. Das ist in old-europe natürlich ganz und gar nicht political correct. So sehr es mir als Atheist gefällt, dass die Scientologen den Begriff der Kirche maximal verhohnepiepeln – das hat aber vornehmlich steuerliche Gründe, mein Amusement ist nur ein Abfallprodukt scientologischer Geldgier – sehe ich deren Wirken sehr skeptisch und ich habe kein Problem damit, sollte der Laden beim nächsten faux-pas dicht gemacht werden; aber mal sehen, was Hillary Clinton so bei ihrem ersten Besuch bei der Bundesregierung für die Scientologen alles an Forderungen im Köfferchen hat. Ihr Gatte Bill hat ja seinerzeit den Hubbardepigonen den Kirchenstatus in den USA auf das Beste zementiert. Ob Frau Aussenminister wohl dieses familiäre Erbe der “Religionsfreiheit” fortführen wird?
Ausblick
Ob die Miesepetereien über den Tom Cruise Film dessen Erfolg hier schmälern werden, weiss ich nicht. Ich hoffe das nicht, denn es kommt wenigstens ein wenig Kenntnis über die Geschichten aus dem Nahbereich des GröFaZ in grösseren Kreisen dieser Kulturnation der Dichter und Denker an. Daran kann dann ja der kritische Weltgeist anknüpfen und für Vertiefung sorgen, wenn es beliebt. Bei der nächsten Gelöbnix-Demo am berliner Bendlerblock könnten aber auch mehr Leute verstehen, warum man dort dem Grafen nicht umstandslos zujubeln möchte. Aber die Freunde der Widerstandsymbolik müssen sich keine Sorgen machen, das Heldenepos – an dem auch Tom Cruise sehr gelegen ist – wird sicherlich mehrheitlich in den Köpfen haften bleiben.
Den Graf von Stauffenberg und endlose Leichenberge toter KZ-Häftlinge in Auschwitz. Diese Bilder als Erinnerungskultur zusammen zu denken, fällt mir auch nicht leicht. Ich für meinen Teil habe eine eigene “Heldin” aus der Zeit des 3. Reiches, sie hiess Hannah Arendt – sie hat viele jüdische Kinder aus dem Europa der Nazis nach Palästina gebracht und so viele Leben gerettet. Zur Geisteshaltung im Nachkriegsdeutschland schrieb sie die zeitlose Einschätzung:
„Die Gleichgültigkeit, mit der sich die Deutschen durch die Trümmer bewegen, findet ihre genaue Entsprechung darin, dass niemand um die Toten trauert.“ Hingegen kursierten zahlreiche Geschichten über die Leiden der Deutschen, die gegen die Leiden der anderen aufgerechnet würden, wobei die „Leidensbilanz“ in Deutschland stillschweigend als ausgeglichen gelte. Die Flucht vor der Verantwortung und die Zuschreibung von Schuld auf die Besatzungsmächte seien weit verbreitet. „Der Durchschnittsdeutsche sucht die Ursachen des letzten Krieges nicht in den Taten des Naziregimes, sondern in den Ereignissen, die zur Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies geführt haben.“
Was ist daraus nach all den Jahren geworden? Ein Land mit Leuten, die sich nur mit sich selbst beschäftigen, für die es in der Frage des 3. Reiches kein Aussen und keine konsequente Empathie mit den Opfern – und schon garnicht mit deren Enkeln in Israel – gibt. Auch das ist freundlich betrachtet ein mageres Ergebnis der Aufarbeitungsweltmeister.
references:
Alle Obrigkeit will Gewissenlosigkeit
Macht doch Euren Holocust alleine!
Tom Cruise, Stauffenberg und Widerstandsgeist
Filmkritiken von Mark, Jan und Gideon
Zum fragwürdigen Begriff “Operation Walküre”
Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit , Berlin
Zuppis ultimative Haider-Poll
Letzte Gedanken zum Ableben des “Königs von Kärnten” – mit virtueller Beteiligungsmöglichkeit:
Diese Poll wird nach dem Staatsbegräbnis des Landeshauptmanns ausgewertet.
Es gibt neue Erkenntisse zur genaueren Todesursache, die Titanic hat eine Ausländerbande der Täterschaft überführt. Über die Perspektiven von Haiders Fanclub BZÖ schiessen die Spekulationen ins Kraut,bevor der Grundgute richtig kalt und unter der Erde ist, wird seine Witwe Claudia sehr hoch als Nachfolgerin zu den Wahlen in 2009 gehandelt.
UPDATE 10.11.2008: Alles Quatsch, Haider lebt!!!
references:
Jörg Haider: Ein schwuler Tennisspieler?
Der Haider iss tot
Diese Nachricht habe ich gerade beim Lindwurm gelesen,ein Autounfall beendete das Leben des umstrittenen Politikers. Falco wurde in den Achtzigern ‘mal gefragt,was wohl die Österreicher an Haider gut finden würden und er antwortete: “Er iss ganz rechts aussen und er iss halt fesch”. Na ja,ein Janker-Fascho weniger in der EU.
UPDATE: Der Lindwurm ist nicht nur vor Ort in Kärnten unterwegs, er hält den Rest der weiten Welt auch auf dem Laufenden: Sehr lesenswerte Einschätzungen aus Haiders kleinem Königreich: Der Haider-Mythos bröckelt bereits + Haiders letzte große Show.
Zettel setzt gegen wie auch immer gearteten antifaschistischen Geifer die Würde des Toten und seines Amtes: Zitate des Tages: “Europaweit unbeliebt”. Wahrscheinlich kategorisiert er den Haider auch in die politische Ecke so vieler rechtskonservativer Politiker,die optimistisch am rechten Rand operieren.
Natürlich ist das rechtskonservative Spektrum noch weitestgehend unter dem Schirm der Meinungsfreiheit anzusiedeln. Trotz allem empfand ich bei vielen Kampagnen Haiders mehr als Würgereize: Wer auf schwache Bevölkerungsteile mit rassistischen Parolen einschlagert und diese dann zum gesellschaftlichen Abschuss frei gibt,darf immer mit meiner entschlossenen Gegnerschaft rechnen. Da lege ich natürlich nicht auch noch Blumen auf die Grabesstelle und ein r.i.p. verkneife ich mir selbstverständlich auch. Solchen Leuten wünsche ich im höchsten Falle die Dämonen,die sie zu Lebzeiten mit entfesselt haben. Das ist doch wohl sowas von klar.
References:
184 Km/h
Jörg Haider = Lady Di Kärntens?
Jörg Haider:1950-2008
Zypern: Der lange Weg zur Wiedervereinigung
Der zweite Besuch auf Zypern war etwas nüchtern und kurz gehalten,der Austausch über die aktuellen Verhandlungsgeschicke offenbarte ein Grundproblem: Was die Bevölkerungen wünschen und was letztendlich auf dem politischen Verhandlungstisch geregelt wird,sind zwei grundverschiedene Angelegenheiten.
Die Hoffnungen,die in das neue dynamische Verhandlungsduo aus Präsident Christofias und den türkisch-zypriotischen Verhandlungsführer Mehmet Ali Talat gesetzt werden, können nicht über die festgefahrenen Positionen des türkischen Staates und auch Griechenlands hinwegtäuschen. Beide sitzen immer mit am Verhandlungstisch, eine genuin zypriotische Position bewegt sich so immer an einer Kompromisslinie der Interessen der beiden grossen Staaten und den Interessen Zyperns.Eine Mediation der vielen Interessengruppen auf der Insel und im diplomatischen Parkett funktioniert nur kleinteilig bei gegenseitiger Kompromissbereitschaft.
Es scheint fast so zu sein,dass die türkische Seite alle Zeit der Welt hätte,das Armenhaus im Norden aufrecht zu erhalten, bis die EU endlich die Pforten ganz weit aufmacht. Christofias nutzte die Feierlichkeiten zum 48. Jahrestag der Unabhängigkeit Zyperns von der britischen Kolonialmacht, um der türkischen Verhandlungsseite folgendes ins Stammbuch zu schreiben:
“Of course, our aim is not to put anyone in the corner,” … “but to oblige the occupying power to come to its senses and realise that the troops withdrawal is also to its interest, as it is a just and viable solution to the Cyprus problem, if it wants to proceed towards membership of the European Union.” (Philippos Stylianou in Cyprus Weekly vom 03.10.2008)
Nächsten Freitag gehen die Vereinigungsgespräche auf hoher Ebene weiter:
They (Christofias+Talat) resume Cyprus problem negotiations next Friday on power sharing issues in a process diplomats believe is the best chance for peace in years. (Charlie Charalambous in Cyprus Weekly vom 03.10.2008)
Es wird über Machtteilungsfragen, Migrationskontingente zwischen dem türkisch besetzten Nord- und dem freiem zypriotischen Südteil verhandelt, die Freizügigkeit der Inselbewohner, Restitutionsansprüche von Bürgern und Institutionen im Rahmen der Kriegs- und Vertreibungshandlungen in 1974 stehen auf der Agenda – eine dunkle Zeit Europas, denn sowohl in Griechenland als auch in der Türkei herrschten vor 34 Jahren die Obristen, die die Teilung Zyperns in ihren antikommunistischen Wahnvorstellungen zielgerichtet vorangetrieben haben. Der damalige zypriotische Präsident Erzbischof Makarios III hatte sich erfrecht, ein parlamentarisches Bündnis mit den Sozialisten einzugehen, massgebliche Teile der Junta in Athen witterten die kommunistische Machtübernahme Zyperns und sie zettelten gemeinsam mit zypriotischen Ultranationalisten einen grausamen Bürgerkrieg gegen die Zivilbevölkerung und politischen Machteliten auf der Insel an, der den Einmarsch der türkischen Armee quasi militärlogisch absehbar nach sich zog. In Portugal und Spanien sahen faschistische Regierungssysteme ihrem längst überfälligen Ende entgegen.
Schmerzlich sind nun auch die von der zypriotisch orthodoxen Kirche abverlangten Zugeständnisse, Erzbischof Chrysostomos muss sich mit den Vertretern der muslimischen Minderheit arrangieren, dafür fordert die christliche Seite die Rückgabe und den ungehinderten Betrieb der Kirchen und Klöster im türkischen Nordteil – dort hat das türkische Militär 1974 kirchliches Eigentum requiriert, dem Verfall preisgegeben und auch zerstört – eine Antwort auf die Vertreibung der Muslime aus dem Südteil während des Bürgerkriegs in den siebziger Jahren.
Als ein Zeichen der Annäherung der beiden Religionsgruppen werden seit einigen Jahren im Südteil auch wieder Moscheen renoviert und so den Gemeindemitgliedern zugänglich gemacht. Im Nordteil fehlt diese Geste für die wenigen Christen erwartungsgemäss, es wird christlichen Pilgern sogar immer wieder schwer gemacht, Wallfahrtsorte im Norden besuchen zu können. Hier ist auch zukünftig für beide Seiten noch Handlungsbedarf anstellig.
An die Stelle meiner mässigen Euphorie zur Wiedervereinigung nach meinem Besuch im Juni 2008 ist nun eine pragmatisch-abwartende Haltung getreten. Mein Grundproblem zur Ermittlung ausgewogener Bedürfnislagen war die Unmöglichkeit,im Norden unbefangene Stimmen einzuholen, Die türkische Besatzungsmacht verhält sich gegenüber den türkischen Zyprioten nicht nur paternailistisch sondern im höchten Masse ignorant. Im Südteil findet immerhin eine öffentliche Diskussion statt.
Ob die EU-Anbindung der Türkei ein beförderndes oder eher hinderliches Verhandlungsinstrument der Zyprioten zur Naherwartung der Wiedervereinigung darstellt, scheint für mich erst einmal offen zu bleiben. Die Bewahrheitung der alten Weisheit schwebt aber wie ein Damoklesschwert über dem ganzen Prozess: Zu viele Köche verderben den Brei.
RAF Debatte 2008
Sie kommt zu keinem Ende,die unsägliche Debatte um die Mordbrenner von der RAF. Nachdem das bizarre 30 jährige Jubiläum zum “heissen Herbst” in 2007 unter dem Stern von Christian Klars (abgelehntem) Begnadigungsgesuch an Bundespräsident Köhler stand – Michael Buback weiss übrigens immer noch nicht,wer seinen Vater umgebracht hat – wird nun der Mordfall am Vorstandssprecher der Deutschen Bank Alfred Herrhausen aufgerollt.
Carolin Emcke, promovierte Philosophin, Kriegsberichterstatterin u.A. für den SPIEGEL und ab Herbst 2008 Studienleiterin an der Hamburger Journalistenschule “Hamburg Media School“, hat in ihrem aktuellen Buch “Stumme Gewalt:Nachdenken über die RAF” einen neuen Focus ausgemacht: Der Umgang von Bundesstaatsanwaltschaft und Politik mit den gefassten Terroristen wird seit Jahrzehnten von einem Mantel des Schweigens begleitet – die Deals zwischen Staatsanwaltschaft, Verteidigern und den TäterInnen behindern die öffentliche Fallaufklärung und lassen immer wieder die Hinterbliebenen des Terrors im Regen stehen. Diesen Mangel versucht Frau Emcke mit ihrem Buch und den projektierten Dialogen im “Raum der Aufklärung” zu beheben.
Emcke scheint den neuen Tabubruch “mit Terroristen diskutiert man nicht in der breiten Öffentlichkeit” positiv aufzugreifen. Die äusserst anstrengende Begegnung von Michael Buback mit Karl Heinz Dellwo Peter-Jürgen Boock letztes Jahr im Fernsehen erscheint als eine Art Initialzündung zur Idee des “Raums der Aufklärung”,in dem dialogisch die verantwortlichen Figuren des politischen Terrors mit ihren Verfolgern und den Opferangehörigen an einem Tisch sitzen und reden sollen. An der zeitgeschichtlichen Erscheinung des Terrors soll nach Carolin Emcke in der BRD Streitkultur geübt werden.
Aktive politische Grundsteine zu diesem Stelldichein hat die Theologin und GRÜNE Politikerin Antje Vollmer mit ihren Amnestiekampagnen für die RAF’ler seit den frühen 80igern gelegt. Als Bedingung hat Frau Vollmer eine Abkehr vom Terrorismus von den Terroristen eingefordert,einige haben dieses Angebot auch angenommen und wurden vor Verbüssung ihrer Haftstrafen auf freien Fuss gesetzt. Dieser Teil der nationalen Aufarbeitung des Terrors kann als weitestgehend abgeschlossen betrachtet werden.
Worum es heute und in Zukunft gehen soll,ist die wahrheitsgemässe Aufarbeitung und Aufklärung der Morde,die im Dickicht fragwürfiger Deals – weil die Ermittlungsbehörden schlampig gearbeitet haben oder die Rechtslage zu Gunsten der Täter auszulegen war – zur Nebensache herunter gebrochen wurde.
Carolin Emcke kommt nicht als geltungssüchtige Publizistin mit ihrem Anliegen an die Öffentlichkeit,sie war Alfred Herrhausens Patentochter. Sie erfuhr am Morgen des 30. November 1989 in London von dem Mord an ihrem Patenonkel,das aktuelle Buch begann sie an diesem Tattag in Bad-Homburg zu schreiben. Und nun wird sie bald junge Journalisten in Hamburg ausbilden. Eine publizistische Karriere,die nicht gerade zu Pessimismus Anlass geben sollte. Denn die Frage,wie weit der demokratische Rechtsstaat in der Terroristenfrage verbogen wurde,ist noch zu beantworten und das Schweigen dazu ist in der Tat keine befriedigende Lösung. Aufklärung ist leider nicht schmerzfrei zu erlangen.
references:
zdf-aspekte vom 23.05.2008
Black Box BRD, Film von Andres Veiel
Lebensgefühl von Einwandererkindern
Lebensgefühl von Einwandererkindern
VON DENIZ YÜCEL
Das Trauma von Mölln
Mit dem Brand in Ludwigshafen war die Erinnerung sofort da: 90er-Jahre, Anschläge auf Häuser in Mölln und Solingen. Damals hieß es plötzlich auch für “Abiturtürken”: “die” gegen “uns”.
Deutsche Fachwerkidylle in Mölln. Foto: dpa
Quelle: © taz 10.02.2008
references:
Ralph Giordano: Offener Brief an den OB in Köln
Erdogan-Rede Köln 2008
Was war denn nun die DDR?
In Diskussionen kommt diese Frage immer wieder auf. Während linksradikale Diskutanten die DDR-Geschichte lieber aus der Persektive der Auseinandersetzungen der Weimarer Zeit oder gar dem Ost-West-Konflikt ansetzen, ist die Erlebnisgeneration mehr mit den tatsächlichen Erscheinungsformen realsozialistischer Vergesellschaftung in der Diktatur befasst. Hier bietet z.B. die SWA einen Informationspool für interessierte Leser an: Publikationen
– Bücher und Broschüren
– CDs, CD-ROMs, DVDs
– Videos und eine
– Liste der Publikationen (Stand August 2007), die von der Stiftung gefördert und herausgegeben wurden (154 kb).
Aber auch die Bundeszentrale für politische Bldung vertreibt interessante und günstige Literatur zum Thema z.B. in ihrer Schriftenreihe , oft lohnt sich auch der Gang zu den Landeszentralen der politischen Bildung und der Kontakt mit den örtlichen Geschichtswerkstätten sowie der Verbände der Betroffenen. Abgerundet wird das Geschichtsbild natürlich durch die Berichte der Zeitzeugen aus der DDR-Zeit – ohne Biermann, Bahro, Jürgen Fuchs oder Erich Löst hätte ich im Westen kaum etwas von der DDR erfahren, noch sind diese Zeitzeugen auch im persönlichen Nahbereich ansprechbar, quetschen wir sie jenseits der Ideologie aus, bekommen wir auch wichtige Infos über die Vergangenheit ohne die eine Zukunft schwerlich zu gestalten sein dürfte.
Jürgen Elsaesser schmiedet die Volksfront
Letztes Wochenende fand ein denkwürdiges Kameradschaftstreffen als Konferenz “ Die Linke und die Nation” im berüchtigten ND-Gebäude in Berlin statt:
Gestandene Weggefährten ( “es kann nicht mehr von grauen Haaren gesprochen werden, es waren fast nur Glatzen anwesend” – eine kolportierte Anspielung auf den dort versammelten Seniorenclub ) des DKP-Sprektrums trafen sich am Sonntag Morgen mit J. Elsässer, Hans Coppi und anderen Vertetern und Fans der nationalkommunistischen ex-DKP aus Ost und West. Eigentlich sollte das Anlass zum zurücklehnen geben – es erscheint vordergründig ein gerontologisches Problem zwischen Corega-Tabs, Haloperidolsaft und Klistier zu sein, das ist es aber leider nicht.
Während Elsässer in der sonntäglichen Morgenveranstaltung im Haus des ehemaligen Zentralorgans der SED vor der Personenstärke einer Berufsschulklasse richtig vom nationalkommunistischen Leder zog, die Volksfront im klassischen Sinne der KPD beschwor und einen maximal dreckigen Antiamerikanismus auf Kampagnenniveau von allen nationalen Kräften auf deutschem Boden einforderte, war der Text abends im Robert Havemann Saal im braunen Haus der Demokratie an der Greifswalder wieder etwas verschwurbelter zu hören, waiting hat auf seinem Blog über den manipulativen/verschwörungstheoretischen Charakter von Elsässers Beiträgen berichtet, denen z.B. Bernhard Schmid in der Veranstaltung “Wieviel Populismus verträgt die Linke?” enschieden entgegen treten musste – Blogbericht von Kojack und Wendy. Elsässer ist sicherlich ein irrer Theoretiker des puren Antiimperialismus, der auf die antiamerikanische Karte setzt – hier ist auch sein zentrales Motiv der Volksfront angesiedelt, er malt das Schreckgespenst eines weltweiten US-amerikanischen Kriegsstrebens an seine schmale, nationalistisch bemalte Wand, da sind ihm ALLE nationalen Kräfte auf deutschem Boden willkommen. Elsässer ist ein gefährlicher Demagoge, der demnächst noch in vielerlei Buchten der rechts- und linksradikalen Szenerie anzutreffen sein dürfte, seine Texte in der jungen-welt sind erst der Anfang.
references:
Die Linke und die Nation
Wieviel Populismus verträgt die Linke?
Querfront: Vermeintliche Linke auf Abwegen
Katharina von Medici, Religionskriege im 16. Jhdt. in Frankreich
Verrat im Namen der Königin
Fernsehfilm, Frankreich 2003, Regie: Gérard Corbiau, ARTE F, Fotos, Synchronfassung, Produktion: Dargaud-Marina, France 3, ARTE F. Sonntag, 29. Juli 2007 um 15.50 Uhr
Die Königin von Frankreich, Katharina von Medici, führt ein blutiges Regiment gegen die mächtiger werdenden Protestanten. Den erfahrenen Baron de Malassise beauftragt sie, die Verhandlungen zu führen. Am 8. August 1570 kommt es auf Schloss St. Germain zu einem Abkommen – wird es den Bürgerkrieg verhindern?
Frankreich, im Jahr 1570: Unter der Herrschaft von Königin Katharina von Medici und ihrem Sohn Karl IX. führen die Katholiken einen blutigen Kampf gegen die reformierten Christen. Trotz der vorangegangenen Hugenottenkriege sind die Anhänger der reformierten Kirche zahlreich und mächtig genug, lukrativen Handel zu treiben und einige Städte besetzt zu halten. Um ihren Einfluss zu behaupten strebt Katharina von Medici strategisch einen Waffenstillstand an.
Baron de Malassise, der elf Jahre in Italien Botschafter war, wird von der Regentin an den Hof berufen. Er soll im Namen der Königin die Verhandlungen mit dem protestantischen Lager aufnehmen, um den Frieden im Land wieder herzustellen. Sich zur Seite wählt Malassise den Feldherrn Monsieur de Biron, ihnen gegenüber stehen Monsieur de Mélynes und Monsieur d’Ublé – die Vertreter des Oberhaupts der Hugenotten, Admiral de Coligny.
Mit dieser Bürde gilt Malassises nächster Weg seinem Gehöft, um seine privaten Angelegenheiten zu ordnen. Bereits sehnsuchtsvoll von seiner jungen Frau Marie und seinem einzigen Sohn Blaise aus Italien zurück erwartet, muss er erfahren, dass sein Land heruntergewirtschaftet, sein Diener und Milchbruder Gafron wegen protestantischer Ketzerei in den Tod getrieben wurde und sein Sohn von einem Lehrer mit zweifelhaft modernen Ansichten unterrichtet wird. Malassise, der jegliches Mitgefühl – sei es seinen politischen Gegnern, sei es seiner Familie gegenüber – ablehnt, findet keinen Zugang zu seiner Familie. So behände er in seiner Profession des Diplomaten ist, so fremd sind ihm die Geschicke des alltäglichen Lebens.
Die politischen Verhandlungen werden aufgenommen und Malassise, angetrieben von seinem diplomatischen Ehrgeiz, pokert ganz im Sinne der Königin. Er unterbreitet den Protestanten das Angebot, ihnen vier Städte zu überlassen, in denen die reformierten Gläubigen frei agieren und ihren Glauben praktizieren können. Die protestantischen Vertreter sind sich uneinig über die Wahl der Städte. Mit diplomatischem Geschick gelingt Malassise, die vier Städte La Rochelle, Montauban, Charité und Cognac selbst zu bestimmen und außerdem den Zugang zu diesen auf zwei Jahre zu begrenzen, um danach erneut in Verhandlungen zu treten. Malassise glaubt sich auf dem Höhepunkt seiner Diplomaten-Karriere, als es am 8. August 1570 auf Schloss St. Germain zu einer vertraglichen Einigung zwischen den Mittelsmännern der Katholiken und Protestanten kommt.
Doch hat Malassise nicht mit dem kaltblütigen Kalkül Katharina von Medicis gerechnet. Sie nutzt den vorläufig erwirkten Waffenstillstand nur, um zu einem vernichtenden Schlag gegen die Protestanten auszuholen. Nur zwei Jahre später sollten in der Bartholomäusnacht Admiral von Coligny, Monsieur de Mélynes, Monsieur d’Ublé und Tausende von Hugenotten den Tod finden. Als Malassise die wahren Absichten der Königin erkennt, hat er bereits alles verloren: seinen Besitz, seine Familie, seinen Glauben und seinen Stolz.
Regie: Gérard Corbiau, Drehbuch: Alain Moreau, Kamera: Pierre Dupouey, Musik: Christian Rieger, Kostueme: Corinne Bruand, Redaktion: Isabelle Huige, Schnitt: Marie-Dominique Danjou; Ausstattung: Claude Lenoir; Maske: Bernard Floch, Mabi Anzalone; Ton: Henri Morelle, Denis Leuleu, Produktion: Dargaud-Marina
Jean Rochefort (Henri de Malassise), Marie-Christine Barrault (Katharina von Medici), Rufus (Monsieur de Biron), Jean-Paul Farré (Monsieur d’Ublé), Didier Sandre (Monsieur de Mélynes), Caroline Veyt (Marie), Yohan Salmon (Blaise), Jean-Claude Durand (Lehrer), Adrien de Van (Karl IX), Vincent Grass (Chazal), Michel Favory (Admiral de Coligny)
Regisseur Gérard Corbiau, geboren 1941 in Brüssel, inszenierte bereits erfolgreich den Historienfilm “Farinelli” (1994) und “Le Roi danse (Der König tanzt)” (2000), der 2001 im Wettbewerb der Berlinale zu sehen war.
Alain Moreau, als Autor, Verleger und Produzent für Kino, Fernsehen und Theater tätig, adaptierte den Roman “St. Germain ou la Négociation” von Francis Walder.
references:
Bartholomäusnacht vom 24. August 1572 von anaximander
Der Unterhändler dt. Buchvorlage von Francis Walder und Eva Rechel-Mertens von Zettner zum Film
Katharina von Medici das Buch von Honoré de Balzac
Honore De Balzac: Your Source For Everything Honore De Balzac